Freitag, 30. Dezember 2011

Neues für 2012

Hier ein Überblick über wichtige Änderungen in 2012

Rente mit 67

Zukünftig erreichen alle ab 1964 Geborenen das Rentenalter erst mit 67 Jahren. Für alle ab 1947 geborenen steigt das Renteneintrittsalter schrittweise bis zum Jahrgang 1958 um einen Monat, danach um zwei Monate pro Jahrgang.

Höhere Altersgrenzen für Rentenverträge


Alle nach dem 01.01.2012 abgeschlossenen Riester- und Rürup-Verträge dürfen frühestens ab dem 62. Lebensjahr ausgezahlt werden statt wie bisher mit 60 Jahren, wenn man die staatliche Förderung in Anspruch nehmen will. Ähnliches gilt auch für Lebensversicherungen und für die betriebliche Altersvorsorge, wenn steuerliche Vorteile erhalten bleiben sollen.

Familienpflegezeit

Beschäftigte können zur Pflege ihrer Angehörigen ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von maximal zwei Jahren auf bis zu 15 Stunden reduzieren. Bei einer Reduzierung der Arbeitszeit in der Pflegephase auf 50% erhalten die Beschäftigten weiterhin 75% des letzten Bruttoeinkommens. Später müssen sie dann wieder voll arbeiten, bekommen in diesem Fall aber weiterhin nur 75% des Gehalts – so lange, bis das Zeitkonto wieder ausgeglichen ist.

Betreuung nach einem Klinikaufenthalt

Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Patienten und Krankenkassen müssen für ein vernünftiges Entlassmanagement künftig enger zusammenarbeiten. Leistungen wie häusliche Krankenpflege oder Leistungen der Pflegeversicherung werden Teil des unmittelbaren Anspruchs auf Krankenhausbehandlung.

Erleichterter Kassenwechsel bei Insolvenz

Krankenkassen müssen zukünftig bei drohender Insolvenz acht Wochen vorher schriftlich über die Schließung informieren. Mit dem Schreiben erhalten die Mitglieder eine Liste aller Krankenkassen, unter denen sie wählen können. Mit dem Formular können sie einfach den Kassenwechsel vollziehen, ohne selbst eine Geschäftsstelle aufzusuchen. Die anderen Kassen sind verpflichtet, auch Kranke, Alte oder Geringverdiener aufzunehmen.

Höhere Regelsätze nach SGB II

Bezieher der Grundsicherung erhalten im Jahr 2012 durchschnittlich zehn Euro mehr. Für Ledige und Alleinerziehende steigt der monatliche Regelsatz von 364 auf 374 Euro. Ehegatten bekommen statt 328 künftig 337 Euro. Volljährige ohne eigenen Haushalt erhalten 299 statt 291 Euro. Für Kinder zwischen sieben und 14 Jahren bleiben die Sätze gleich, Kleinkinder bis sechs Jahre bekommen statt 215 künftig 219 Euro monatlich.

Berechnung der Entfernungspauschale wird einfacher

Neben zahlreichen weiteren steuerlichen Erleichterungen wird auch die Berechnung der Entfernungspauschale vereinfacht. Bei Nutzung verschiedener Verkehrsmittel müssen die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr für jeden einzelnen Tag belegt werden. Bereits rückwirkend für 2011 greift die Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages von 920 Euro auf 1.000 Euro.

Verzögerung bei den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen

Der ursprünglich im Kalenderjahr 2012 vorgesehene Starttermin für das neue Verfahren der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) und den erstmaligen Abruf der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale verzögert sich bis zum 01.01.2013.

Versicherungspflichtgrenze für Krankenversicherung steigt

Die allgemeine Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung steigt für Arbeitnehmer zum 01.01.2012 von 49.500 auf 50.850 Euro im Jahr.

Gläubigerschutz nur noch mit P-Konto

Schuldner können ihr Existenzminimum ab Januar nur noch mit einem speziellen Pfändungsschutzkonto vor den Gläubigern schützen. Per Gerichtsentscheid ist das nicht mehr möglich. Auch der 14-tägige Verrechnungsschutz für Sozialleistungen entfällt. Auf dem sogenannten P-Konto behält die Bank jeden Monat automatisch einen Grundbetrag von derzeit 1028,89 Euro zurück. Die Institute sind verpflichtet, ein normales Girokonto binnen vier Tagen in ein P-Konto umzuwandeln.

Höhere Zuzahlung für Zahnersatz

Zum 01.01.2012 tritt die neue Gebührenordnung für Zahnärzte in Kraft. Die Krankenkasse übernimmt nur die Kosten für die sogenannte Regelversorgung. Alle anderen Behandlungen kann der Zahnarzt nach der neuen Gebührenordnung abrechnen. Gesetzlich Versicherte müssen ab Januar für Kronen, Brücken und Prothesen mehr zuzahlen. Privat Versicherte müssen alle Leistungen nach dieser Gebührenordnung bezahlen.

Montag, 5. Dezember 2011

während Eisschlecken verschluckt - Arbeitsunfall?

Ein selbständig tätiger Unternehmensberater ist bei der gesetzlichen Unfallversicherung freiwillig versichert.

An einem Maitag im Jahre 2009 hat er auf dem Nachhauseweg von einer Veranstaltung (Vortrag) im U-Bahnhof ein Speiseeis erworben. Als der Zug einfuhr, habe er das letzte Stück des sehr hart gefrorenen Eises hinuntergeschlungen, da der Verzehr im Waggon nicht gestattet sei. Das Stück sei zu groß gewesen, sei offenbar in der Speiseröhre hängen geblieben und habe blitzartig dumpfe pulsierende Schmerzen mit Ausstrahlung nach rechts verursacht. Er sei zunächst in den Zug eingestiegen, habe diesen jedoch wegen anhaltender Schmerzen am U-Bahnhof wieder verlassen und habe sich von dort aus mit dem Taxi ins Klinikum begeben.

Das Krankenhaus teilte später der Berufsgenossenschaft mit, dass bei dem Unternehmensberater ein Herzinfarkt (Hinterwand-STEMI) diagnostiziert worden sei.

Die Berufsgenossenschaft lehnte es ab, wegen des Unfallereignisses "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung" zu gewähren. Zweifelhaf sei schon, ob der Besuch des Vortrages zur versicherten Tätigkeit gehört, in jedem Fall sei aber der Genuss von Speiseeis nicht mehr einer versicherten Tätigkeit zuzuordnen. Im Übrigen sei auch ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Eisessen und dem Herzinfarkt nicht hinreichend wahrscheinlich.

Der vom Unternehmensberater eingelegte Widerspruch blieb erfolglos, weshalb er vor dem Sozialgericht klagte.

Das SG Berlin (Gerichtsbescheid vom 21.10.2011, S 98 U 178/10) wies die Klage jedoch ab und führte aus:

"Für die Zuordnung einer bestimmten Handlung zum Kreis der versicherten Tätigkeit reicht es nicht aus, dass ein zeitlicher und räumlicher Zusammenhang zwischen der Handlung und der grundsätzlich gemäß §§ 2, 3 bzw. 6 SGB VII versicherten Tätigkeit besteht, sondern es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Handlung mit der versicherten Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang steht und dieser wesentlich dient (Schmitt, SGB VII, § 8 Rn. 11 m. w. N.).

Der Vorgang der Nahrungsaufnahme ist grundsätzlich unversichert. Von diesem Grundsatz sind lediglich Ausnahmen zu machen, wenn die Nahrungsaufnahme zur Wiedererlangung der Arbeitskraft erforderlich ist oder sie aus betrieblichen Gründen besonders schnell erfolgen muss und der Unfall auf das hastige Essen zurückzuführen ist (Schmitt, SGB VII, § 8 Rn. 80 m. w. N.).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der Verzehr des Eises war zur Wiedererlangung der Arbeitskraft nicht erforderlich. Abgesehen davon, dass ein Speiseeis erfahrungsgemäß zu Genusszwecken und gerade nicht zum Zwecke der Stärkung verzehrt wird, befand sich der Kläger ohnehin bereits auf dem Weg nach Hause, als er das Eis zu sich nahm. Er war dementsprechend auf die Nahrungsaufnahme nicht angewiesen, um seine Arbeit fortzusetzen, denn die Arbeit war zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Die Nahrungsaufnahme musste auch nicht aus betrieblichen Gründen besonders schnell erfolgen. Der Kläger hat das Eis mit besonderer Beschleunigung gegessen, weil er in den Zug einsteigen wollte und der Verzehr von Speiseeis im Zug nicht gestattet ist. Hierbei handelt es sich um einen Grund, der erkennbar nicht betrieblicher Natur ist, denn er steht in keinem Zusammenhang mit den geschäftlichen Abläufen im Unternehmen des Klägers."

Mittwoch, 30. November 2011

KdU-Richtlinie in Mittelsachsen unwirksam

Die Kosten einer Wohnung, welche von Sozialbehörden erstattet werden im Rahmen der Kosten der Unterkunft (= KdU) geben oft Anlass für Auseinandersetzungen - so auch in Mittelsachsen.

Dabei wurde mittels Kreistagsbeschlusses vom 9.12.2009 eine Richtlinie für Kosten der Unterkunft beschlossen, welche für Rechtsklarheit und -frieden stehen sollte.

Die Richtlinie beruht auf einer Untersuchung der Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes in Mittelsachsen im Zeitraum vom 15.3.2009 bis zum 31.7.2009 durch die Technische Universität Bergakademie Freiberg.

Das Sozialgericht Chemnitz hat nun (Urteil vom 11. Oktober 2011 – S 22 AS 6810/10) entschieden, dass die Richtlinie nicht anwendbar sei. Das Sozialgericht geht davon aus, dass die der Richtlinie zu Grunde liegende Untersuchung der TU Freiberg nicht auf valider Datenerhebung beruht, auf eine zu kurze Erhebungszeit bezogen und inzwischen veraltet ist. Zudem ist der Landkreis Mittelsachsen nach Ansicht des SG Chemnitz in weiten Teilen – aus Kostengründen – von den Ergebnissen der Studie abgewichen, was ausschlaggebend für die Nichtanwendbarkeit der Richtlinie ist.

Das Urteil des SG Chemnitz ist noch nicht rechtskräftig, da der Landkreis hiergegen Berufung eingelegt hat zum Landessozialgericht (L 2 AS 1011/11). In Zweifelsfällen sollten Betroffene anwaltlichen Rat einholen.

Dienstag, 29. November 2011

Welche Kosten trägt das Jobcenter bei Schönheitsreparaturen?

In vielen Mietverträgen finden sich Klauseln zu Schönheitsreparaturen und wer diese vorzunehmen hat. In einer beträchtlichen Vielzahl von Mietverträgen sind diese Klauseln unwirksam.

Ein Mieter wollte nun die Kosten der Vornahme der Schönheitsreparaturen von der Sozialbehörde als Kosten der Unterkunft ersetzt haben. Die Sozialbehörde lehnte ab, weil die Klausel unwirksam sei.

Das Bundessozialgericht entschied das Verfahren nicht endgültig, stellte jedoch einige Grundsätze auf.

Kosten einer Auszugsrenovierung können grundsätzlich als Kosten der Unterkunft zu übernehmen sein. Voraussetzung dafür ist die Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen.

Die Ablehnung der Übernahme solcher Kosten als unangemessen wegen der Unwirksamkeit bestimmter Regelungen im Mietvertrag stellt besondere Anforderungen an das vom Grundsicherungsträger durchzuführende Kostensenkungsverfahren. Der Träger der Grundsicherung muss seinen Rechtsstandpunkt und das von ihm befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter in einer Weise verdeutlichen, die den Leistungsempfänger in die Lage versetzt, seine Rechte gegenüber dem Vermieter durchzusetzen.

Ob das den Jobcentern immer gelingt?

Welche Freibeträge sind auf das Einkommen anzusetzen?

1. B 14 AS 201/10 R
SG Duisburg - S 27 AS 189/09

Eine nicht erwerbsfähige Bezieherin von ALG 2-Leistungen hat Einkommen erzielt. Die Sozialbehörde wollte nur einen Freibetrag von 100,00 € nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II absetzen. Die Leistungsbezieherin wollte mehr Freibeträge anerkannt haben und obsiegte vor dem Bundessozialgericht (B 14 AS 201/10 R).

Der Freibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II steht nur erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit Erwerbseinkommen zu. Auf die nicht erwerbsfähige Klägerin ist jedoch § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entsprechend anzuwenden, wonach ein Betrag in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen ist, höchstens jedoch 50 vom Hundert des Eckregelsatzes. Die Leistungsberechtigte steht – als nicht erwerbsfähige Sozialgeldbezieherin – der vom SGB XII erfassten Personengruppe aber näher als der Gruppe der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.

Montag, 21. November 2011

Unfallversicherung in Arbeitspause?

... insbesondere dann nicht, wenn es sich um den Rückweg von einem in der Arbeitspause angeschautem Fussballspiel geht.

Ein angestellter Busfahrer fuhr am 24.09.2008 eine Reisegruppe zu dem Pokalspiel Bayern München gegen 1. FC Nürnberg zur Allianz Arena in München. Üblicherweise waren übriggebliebene Karten dem Busfahrer überlassen worden. Dieser hat sich somit das Fußballspiel ebenfalls angesehen und ist am 24.09.2008 gegen 22.30 Uhr beim Verlassen der Allianz Arena auf der vorletzten Stufe der sogenannten "Kaskadentreppe" ausgerutscht bzw. umgeknickt und hat sich dabei im linken Oberschenkel einen Muskelfaserriss zugezogen. Der Arbeitgeber des Klägers hat später mitgeteilt, der Kläger sei von der Firma dazu angehalten, neben der Fahrt selbst den Bus nach dem Eintreffen "auf Vordermann zu bringen" (z.B. Müll zu entsorgen). Anschließend habe der Kläger eineinhalb Stunden Pause, welche dieser in seinen Stundenzettel eintragen müsse und welche ihm auch nicht bezahlt werde. Was der Kläger in dieser Pause mache, sei allein seine Sache.

Die Berufsgenossenschaft musste nun klären, ob es sich um einen Arbeitsunfall handelte. Letztlich lehnte sie dies ab. Der Busfahrer erhob Klage und verlor vor dem LSG München (Urteil vom 25.10.2011 - L 3 U 52/11). Es führt u.a. aus:

"Wenn er die ihm überlassene übrig gebliebene Karte genutzt hat, um das Fußballspiel anzusehen, hat dies nicht in einem inneren Zusammenhang mit seiner eigentlichen Tätigkeit als Busfahrer gestanden. Vielmehr ist dies als Teil der Freizeitgestaltung dem unversicherten privaten Bereich zuzurechnen."

Freitag, 18. November 2011

freiwillig Krankenversicherte leiden trotz Unwirksamkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze

Derzeit wird vor den Sozialgerichten ein Streit um die Wirksamkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze der gesetzlichen Krankenkassen für freiwillig Versicherte ausgetragen. Ein Punkt ist dabei die Wirksamkeit und Anwendbarkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze.

Krankenversicherte bezweifeln dies und berufen sich auf eine Entscheidung des SG München. Sie begehren eine Zahlung der Mindestbeiträge und nicht der Höchstbeträge

Nun meint auch das Sächsische LSG, dass die Beitragsverfahrensgrundsätze unwirksam sind. Aber dies führt nicht zu dem vom Krankenversicherten gewünschten Ergebnis. Vielmehr geht das LSG davon aus, dass die Höchstsätze anzusetzen sind, da den Krankenversicherten der Nachweis niedrigerer Einnahmen abgeschnitten sei. So heißt es auszugsweise in der Entscheidung vom 07.11.2011 (L 1 KR 173/10 B ER):

"Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind, soweit sie im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen, mithin soweit darin die Bemessung der Beiträge freiwilliger Mitglieder geregelt wird, zu Unrecht durch den Vorstand des GKV-Spitzenverbandes und nicht durch dessen Verwaltungsrat erlassen worden. ... Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Ermächtigung des GKV-Spitzenverbandes zur Regelung der Bemessungsgrundlagen teilt der Senat nicht. ... Die Unwirksamkeit der Regelungen über die Bemessungsgrundlagen hat nicht zur Folge, dass freiwillige Mitglieder keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung zu zahlen haben. ... Ist das freiwillige Mitglied hauptberuflich selbständig erwerbstätig, gilt von Gesetzes wegen als beitragspflichtige Einnahmen sogar kalendertäglich 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Variante 1 SGB V). Niedrigere als die sich hieraus ergebenden Höchstbeiträge schuldet ein hauptberuflich selbständiges freiwilliges Mitglied nur dann, wenn es niedrigere Einnahmen nachweisen kann (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Variante 2 und 3, Satz 3 und 4 SGB V). Dieser Nachweis setzt allerdings eine wirksame Regelung über die Bemessungsgrundlagen durch den dazu vom Gesetzgeber in § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V ermächtigten GKV-Spitzenverband voraus. Denn nur wenn wirksam geregelt ist, welche Einnahmen beitragspflichtig sind, kann festgestellt werden, über welche beitragspflichtigen Einnahmen das Mitglied verfügt. Fehlt eine solche Regelung ist freiwilligen Mitgliedern, die – wie der Antragsteller – hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, der Nachweis niedrigerer Einnahmen abgeschnitten und es bleibt dabei, dass bei ihnen beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen sind. ..."


Damit sind hauptberuflich Selbständige mit freiwilliger Krankenversicherung bestraft, weil Sie nach dieser Entscheidung die Höchstsätze zahlen müssten, und das nur, weil die GKV keine wirksamen Beitragsverfahrensgrundsätze verabschiedet hat.

Irgendwie will nicht in meinen Kopf, dass das rechtens sein soll.

Mittwoch, 26. Oktober 2011

weniger Beitrag für freiwillig Krankenversicherte

Viele scheuen den Gang zur privaten Krankenversicherung und sind bei der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert auf Basis des § 240 SGB V. Die Beiträge zur Krankenversicherung werden meist auf Basis der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" berechnet.

Oftmals gibt es Streit um die Höhe des Beitrages. Vor diesem Hintergrund sind zwei Entscheidungen beachtlich, welche die Verfahrensgrundsätze für nicht anwendbar halten und damit oft den Versicherten Recht geben. Es handelt sich dabei um Entscheidungen des SG München (Urteil vom 2.3.2010, Az. S 19 KR 873/09) und des Hessischen Landessozialgericht (21.02.2011, Az. L 1 KR 327/10 B ER)

Vor diesem Hintergrund sollten Zweifel bei der Beitragsberechnung mit einem Anwalt besprochen werden. Hilfreich können hierbei auch Musterbriefe sein.

Wenn Merkblätter der Agentur für Arbeit nicht weiterhelfen

Ein Arbeitsloser trug sich mit dem Gedanken, sich selbstständig zu machen und die Möglichkeit des Existenzgründungszuschusses und wandte sich hinsichtlich einer Beratung an die Agentur für Arbeit (AA). Der Mitarbeiter der AA wies den Arbeitslosen darauf hin, dass: "... der Antrag vor Ablauf der 90 Tage abgegeben werden müsse, nur noch ein Anspruchszeitraum von 100 + x Tagen vorhanden sei und sie schnellstmöglich den Antrag auf Gewährung eines Existenzgründungszuschusses stellen solle. Der Vermerk auf Anlage B 1 letzte Zeile bedeute, dass er die Kl. darauf hingewiesen habe, dass der Kunde nur gefördert werden könne, wenn vor Ablauf der 90 Tage noch alle Unterlagen vorgelegt werden."

Dieser Hinweis war jedoch falsch und entsprach nicht § 57 II SGB 3. Der Arbeitslose beantragte aus Sicht der AA zu spät den Existenzgründerzuschuss, weshalb die Gewährung abgelehnt wurde. Der Arbeitslose begehrte vor den Gerichten Schadensersatz wegen Falschberatung. Die AA meinte, dass die Informationen in den Merkblättern zutreffend waren und es deshalb auf die falsche Auskunft des Mitarbeiters nicht ankommt, weshalb dem Arbeitslosen kein Schadensersatzanspruch zustünde.

Das OLG München (Urt. v. 21. 4. 2011 − 1 U 133/11) gab dem Arbeitslosen Recht und führte in seinem Urteil aus:

"Die Bekl. bzw. ihre Mitarbeiter haben schuldhaft gegen ihre Verpflichtung, einem Ratsuchenden gesetzeskonforme Auskünfte zu geben, verstoßen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Kl. die Merkblätter ausgehändigt bekommen hat. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, stand die Darstellung in den Merkblättern im Widerspruch zu der von dem Zeugen R gegebenen Auskunft. Es ist nachvollziehbar, dass die Kl. sich nach der mündlichen Auskunft gerichtet hat. Es ist nicht Aufgabe eines Ratsuchenden, den Sachbearbeiter auf Widersprüche zwischen seinen Ausführungen und dem Inhalt der Merkblätter aufmerksam zu machen."

Dienstag, 25. Oktober 2011

Krankengeld nach Ende des Arbeitsverhältnisses

... gibt es auch dann, wenn das Krankenversicherungsverhältnis mit dem letzten Arbeitstag endet und der Arbeitnehmer an diesem letzten Tag erkrankt.

Eigentlich meinen Krankenversicherungen, dass nach der gesetzlichen Regelung ein Anspruch auf Krankengeld erst nach dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit entstehe und eine Versicherung mit Krankengeldanspruch nur während der versicherungspflichtigen Beschäftigung bestehe. Hiernach könnte eine erst am letzten Tag der Beschäftigung festgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht zu einem Krankengeldanspruch führen.

Das sieht das LSG NRW anders und begründet dies in seiner Entscheidung (Urteil vom 14.7.2011 – Aktenzeichen L 16 KR 73/10) damit, dass es ausreichend ist, wenn die Arbeitsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt festgestellt worden ist, an dem noch die Versicherung mit Krankengeldanspruch bestanden hat und sich dann der Krankengeldanspruch nahtlos an das beendete Arbeitsverhältnis anschließt.

Darüber hinaus hat das LSG NRW entschieden, dass die Krankenkasse den Versicherten darauf hinweisen muss, dass er bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit spätestens am letzten Tag des Zeitraums, für den der Arzt Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hat, die weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit durch den Arzt feststellen lassen muss. Versäumt die Kasse diesen Hinweis, ist es unschädlich, wenn der Versicherte erst einen Tag später den Arzt aufsucht und deshalb kein lückenloser Krankengeldanspruch besteht.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wurde die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Die Revision ist auch eingelegt worden (Aktenzeichen des Bundessozialgerichts B 1 KR 19/11 R), das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.

Dienstag, 18. Oktober 2011

Erhöhung der Grundsicherung ab 01.01.2012

Gegenüber dem Jahr 2011 bekommt ab 01.01.2012 ein alleinstehender Erwachsener 374 Euro monatlich (2011 sind es noch 364 Euro). Die Fortschreibung gilt auch für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II = ALG II = Hartz IV).

Für Kinder im Alter von sechs bis unter 14 Jahren (Stufe 5) und Jugendliche im Alter von 14 bis unter 18 Jahren (Stufe 4) bleiben die Sätze unverändert (251 Euro und 287 Euro). Für sie gilt die Besitzschutzregelung. Die zum 1. Januar 2011 ermittelten Bedarfe liegen unterhalb der bis Jahresende 2010 gezahlten Beträge – das heißt, diese Leistungen hätten eigentlich gekürzt werden müssen, was aber nicht gewollt ist.

Übersicht Regelbedarfsstufen im Jahr 2012 (+ Veränderung gegenüber 2011)

die Regelbedarfsstufe 1 – 374 Euro + 10 Euro (Alleinlebend)
die Regelbedarfsstufe 2 – 337 Euro + 9 Euro (Paare/Bedarfsgemeinschaften)
die Regelbedarfsstufe 3 – 299 Euro + 8 Euro (Erwachsene im Haushalt anderer)
die Regelbedarfsstufe 4 – 287 Euro (unverändert, Besitzschutzregelung)
die Regelbedarfsstufe 5 – 251 Euro (unverändert, Besitzschutzregelung)
die Regelbedarfsstufe 6 – 219 Euro + 4 Euro (Kinder von 0 bis 6 Jahre)

Montag, 17. Oktober 2011

Wieviel EU-Rentenanträge werden abgelehnt?

Nach einem Bericht auf spiegel-online vom 17.10.2011 werden von der Deutschen Rentenversicherung ca. 43 % aller Rentenanträge auf Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente) abgelehnt.

Wissenswert ist sicherlich auch, dass immer mehr Menschen wegen psychischer Leiden (Depressionen, Angstsörungen) eine EU-Rente erhalten und das Alter des Bezuges von EU-Rwnte sich seit Jahrten verschiebt - zu immer jüngeren Menschen.

Samstag, 15. Oktober 2011

83000 € ALG II im Monat - davon läßt sich leben

Eine Bedarfsgemeinschaft in Sachsen-Anhalt schaute auf den Kontoauszug, ob die ALG II - Leistungen bereits eingegangen seien und freuten und wunderten sich sicherlich, als etwas mehr als 83.000 € gutgeschrieben waren.

Ab diesem Zeitpunkt waren sie für das Jobcenter nicht mehr erreichbar - mussten Sie ja auch nicht, verfügten sie jetzt doch über Vermögen und waren nicht mehr im Leistungsbezug.

Schade nur für die beiden, dass das Jobcenter bereits 50.000 € sich von der Bank wiederholte. Von den restlichen 33.000 € dürfte nach der Meldung des Stern auch der nun beauftragte Anwalt etwas sehen

Dienstag, 11. Oktober 2011

Neue Rechengrößen im Sozialversicherungsrecht für 2012

Rechengrößen in der Sozialversicherung sind solche, die für das Versicherungs-, Beitrags- und Leistungsrecht in der Sozialversicherung maßgeblich sind, beispielsweise die Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung.

Das Kabinett hat - nach Meldung vom 05.10.2011 - die neuen Rechengrößen in der Sozialversicherung für 2012 beschlossen.

Grundlage für die Berechnung der Sozialversicherungs-Rechengrößen ist die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter im Jahr 2010, die das Statistische Bundesamt ermittelt hat.

Personen in Arbeitsgelegenheiten mit Entschädigungen für Mehraufwendungen ("Zusatzjobs" oder "1-Euro-Jobs") sind nicht mit in die Berechnung eingeflossen. Die Zahlen werden jährlich um die so genannte "Lohnzuwachsrate" angepasst. Die Lohnzuwachsrate 2010 beträgt + 2,09 Prozent in den alten und + 1,97 Prozent in den neuen Ländern.

Bezugsgröße in der Sozialversicherung

Die Bezugsgröße in der Sozialversicherung ist wichtig. In der gesetzlichen Krankenversicherung beispielsweise ist sie die Grundlage für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder und für das Mindestarbeitsentgelt. In der gesetzlichen Rentenversicherung stellt die Bezugsgröße die Grundlage für die Beitragsberechnung versicherungspflichtiger Selbstständiger oder Pflegepersonen dar.

Die Lohn- und Gehaltsentwicklung fließt in die Bezugsgröße in der Sozialversicherung ein. Dabei wird die Lohnzuwachsrate von 2010 die Sozialversicherung in 2012 beeinflussen. Die Bezugsgröße 2012 beträgt 2.625 Euro in den westlichen Bundesländern (2011: 2.555 Euro/Monat). In den östlichen Bundesländern bleibt sie unverändert bei 2.240 Euro/Monat.

Beitragsbemessungsgrenzen für die gesetzliche Rentenversicherung


Die neue monatliche Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (West) steigt von 5.500 (2011) auf 5.600 Euro/Monat. Die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) verbleibt 2012 bei 4.800 Euro/Monat wie in 2011. In der knappschaftlichen Rentenversicherung werden folgende neue monatliche Beträge gelten: Beitragsbemessungsgrenze (West): 6.900 Euro, Beitragsbemessungsgrenze (Ost): 5.900 Euro.

Versicherungspflichtgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung

Bundeseinheitlich wird die Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung festgesetzt. Sie erhöht sich gegenüber 2011 (49.500 Euro) auf 50.850 Euro jährlich in 2012 (4.237,50 Euro monatlich). Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bereits am 31. Dezember 2002 versicherungsfrei waren, wird die Jahresarbeitsentgeltgrenze 45.900 Euro für das Jahr 2012 betragen (2011: 45.550 Euro). Die bundeseinheitliche Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht der (niedrigeren) Jahresarbeitsentgeltgrenze (45.900 Euro/jährlich bzw. 3.825 Euro monatlich).

Rentenversicherung

Das vorläufige Durchschnittsentgelt in der gesetzlichen Rentenversicherung wird für das Jahr 2012 bundeseinheitlich auf 32.446 Euro/jährlich festgesetzt.

Gesamtübersicht:
Rechengröße Alte Bundesländer Neue Bundesländer

Vorläufiges Durchschnittsentgelt in der
Rentenversicherung 32.446 €/Jahr 32.446 €/Jahr
Bezugsgröße in der Sozialversicherung 2.625 €/Monat 2.240 €/Monat
Beitragsbemessungsgrenze allgemeine
Rentenversicherung 5.600 €/Monat 4.800 €/Monat
Beitragsbemessungsgrenze knappschaftliche
Rentenversicherung 6.900 €/Monat 5.900 €/Monat
Beitragsbemessungsgrenze gesetzlichen Kranken-
und Pflegeversicherung 3.825 €/Monat 3.825 €/Monat
Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen
Krankenversicherung 4.237,50 €/Monat 4.237,50 €/Monat

Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrates.

Das vorläufige Durchschnittsentgelt in der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht dem Durchschnittseinkommen aller Versicherten. Diese Rechengröße ist wichtig für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte bei der Berechnung der Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Für das kommende Jahr wird es bestimmt, in dem das Durchschnittsentgelt 2010 um das Doppelte des Prozentsatzes erhöht wird, um den das Durchschnittsentgelt 2010 höher ist als das Durchschnittsentgelt 2009.

Die Beitragsbemessungsgrenze markiert das Maximum, bis zu dem in der Sozialversicherung Beiträge erhoben werden. Der Einkommensanteil, der über diesen Grenzbetrag liegt, ist somit beitragsfrei.

Die Versicherungspflichtgrenze (= Jahresarbeitsentgeltgrenze) in der gesetzlichen Krankenversicherung wird – wie in der Vergangenheit auch – an die Lohnzuwachsrate angepasst. Wessen Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze liegt, kann eine private Krankenversicherung wählen. Für die Fortschreibung der bundeseinheitlich geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenzen in der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Einkommensentwicklung 2010 maßgebend. Der Wert für 2010 beträgt + 2,07 Prozent.

Montag, 12. September 2011

Keine gesetzliche Unfallversicherung bei geringfügigen Hilfeleistungen

Eine Frau half im Rahmen eines Sonntagsausflugs spontan vier Bekannten beim Viehtrieb. Diese trieben fünf Kühe mit Kälbern über die Straße auf eine gegenüberliegende Weide. Dabei wurde die Frau von einem Motorrad erfasst und erlitt mehrere Knochenbrüche.

Sie beantragte bei der Berufsgenossenschaft die Anerkennung als Arbeitsunfall. Dies lehnte die Berufsgenossenschaft jedoch ab, weil die Verletzte keine dem landwirtschaftlichen Unternehmen wesentlich dienende Tätigkeit erbracht habe.

Das LSG Darmstadt (Az: L 3 U 134/09) hat der Berufsgenossenschaft Recht gegeben.

Zwar könnten auch unentgeltliche Tätigkeiten arbeitnehmerähnlich sein. Es müsse sich jedoch um eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handeln. Nach ihren eigenen Angaben wollte die Klägerin ihren langjährig Bekannten etwa fünf Minuten beim Viehtrieb helfen. Dies sei im Sinne einer üblichen, geringfügigen und alltäglichen Gefälligkeit ein geradezu selbstverständlicher Hilfsdienst gewesen. Ähnlich sei dies einem Botengang über die Straße zur Übermittlung einer Nachricht an den Nachbarn oder der Einweisung eines Nachbarn in die Garage. All dies seien jedoch unversicherte Hilfeleistungen, die mit einer aus einem Arbeitsverhältnis geschuldeten Tätigkeit nicht vergleichbar seien.

Donnerstag, 1. September 2011

Jobcenter muss Private Krankenversicherung bezahlen - nicht nur den Basistarif

Privat krankenversicherte Sozialhilfeempfänger wurden bislang vom Jobcenter und Sozialgerichten auf die Zumutbarkeit einer Absicherung im Basistarif verwiesen.

Eine Entscheidung des Bayerischen Landessozialgericht (30.08.2011, Az.: L 8 SO 26/11 - PM 14/2011) besagt nun, dass kein Zwang zum Abschluss eines solchen Basistarifs besteht. Vielmehr hat das Jobcenter bzw. der Sozialhilfeträger die Aufwendungen zur privaten Krankenversicherung auch dann zu übernehmen, wenn der Sozialhilfeempfänger einen anderen Tarif gewählt hat.

Montag, 29. August 2011

Wertersatz für geleistete Dienste für 1 Euro Jobber

Die Arbeitsgelegenheiten, welche von sog. ! Euro Jobbern ausgeübt werden sollen, sollen dem Kriterium der Zusätzlichkeit unterliegen, d. h. es sollen keine regulrären Arbeitsplätze besetzt bzw. verdrängt werden. Ist dies zweifelhaft, kann nach einer Entscheidung des BSG (Pressemitteilung 25/11) ein 1 Euro Jobber Wertersatz für die von ihm geleistete Arbeit verlangen - und das vom Jobcenter!

Freitag, 26. August 2011

Auch der Tod ist nicht umsonst - Beerdigungskosten und Jobcenter

Regelmäßig werden für Leistungsberechtigte im Fall, dass diese eine Beerdigung bezahlen müssen, eine Pauschalbetrag zur Verfügung gestellt, der als angemessen die Kosten decken soll.

In einem besonderen Fall hat das BSG (Medieninformation Nr. 24/11) nun ausgeführt, dass dies nicht immer so einfach ist, u.a. muss das Jobcenter berücksichtigen, dass:

- erstattungspflichtige Privatpersonen in der Regel vertragsmäßig ungünstigeren Kondi­tionen unterliegen als die Sozialhilfeträger (die haben aufgrund der Masse mehr Marktkenntnis und Marktmacht mit entsprechenden Verhandlungsspielraum)

- dem Bestattungspflichtigen mit der besonderen Belastungssituation bis zur Beerdigung regelmäßig nicht die Zeit bleiben dürfte, unterschiedliche Angebote bei Bestattungsunternehmern einzuholen, um das billigste auszuwählen.

Vor diesem Hintergrujd sind Jobcenter gehalten, Leistungsbezieher berathend zur Seite zu stehen. Fehlinformationen des Sozialhilfeträgers bzw. eine Weigerung, sich zur Höhe der angemessenen Kosten zu äußern, kann deshalb - im Einzelfall - dazu führen, dass auch objektiv unangemessene Kosten subjektiv erforderlich sind, wenn die tatsächlichen Kosten zu den angemessenen Kosten nicht in einem derart auffälligen Missverhältnis stehen, dass dies dem Bestattungspflichtigen ohne weiteres hätte auffallen müssen.

Donnerstag, 25. August 2011

Rückzahlungen als Einkommen anzurechnen? - nicht immer!

Im Regelfall übernimmt ein Jobcenter sämtliche Kosten der Unterkunft (abzüglich Warmwasserpauschale), mithin auch Betriebskostenvorauszahlungen. Kommt es zu einer Auszahlung eines Betriebskostenguthabens, wird dieses als Einkommen angerechnet, weil das Jobcenter die Betriebskostenvorschüsse ja geleistet hat.

Beispiel: Werden für 12 Monate monatlich 100 € Vorauszahlungen geleistet und vom Jobcenter vollständig übernommen und stellt sich in der Jahresabrechnung heraus, dass nur 1.000 € insgesamt an Betriebskosten angefallen sind, steht die Differenz von 200 € dem Jobcenter zu.

Das ist der nachvollziehbare Grundfall. Doch das Leben spielt manchmal anders.

Wird z.B. das Guthaben (im obigen Beispiel 200,00 €) nicht ausbezahlt, sondern mit Mietschulden verrechnet, kann das Guthaben nicht als Einkommen angerechnet werden (Sozialgericht Chemnitz (S 33 AS 5000/10)).

Werden Betriebskosten nicht vollständig vom Jobcenter getragen, sondern ausschließlich aus der Regelleistung bezahlt, wird das Guthaben nicht als Einkommen angerechnet (Bundessozialgericht - B 14 AS 186/10 R -)

Nun stellt sich die Frage, was passiert, wenn ein Teil der Betriebskosten vom Jobcenter als Kosten der Unterkunft und aus der Regelleistung bezahlt wird. Für mich spricht vieles dafür, entsprechend den Anteilsquoten ein Guthaben auch nur teilweise als Einkommen anzurechnen.

Montag, 15. August 2011

Geldgeschenke und ALG II

Eine Mutter von drei Kindern bezog im streitigen Zeitraum von September 2006 bis Februar 2007 vom beklagten Jobcenter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von monatlich insgesamt ca. 1.100 Euro. Die Großmutter der Kinder überwies für Geburtstag und Weihnachten jeweils Geldbeträge, damit sich die Kinder selbst einen Wunsch erfüllen könnten.

Das Jobcenter hob daraufhin im März 2007 den maßgebenden Bewilligungsbescheid für die Zeit ab dem 01.12.2006 teilweise auf und verlangte die Erstattung von Leistungen in Höhe von 510 Euro.

Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht die Leistungskürzung teilweise aufgehoben; von den Geldgeschenken dürften je Anlass 50 Euro (insgesamt 250 Euro) nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen sowie die Berufung der Kläger zurückgewiesen.

Nun wird das Bundessozialgericht am 23.08.2011 entscheiden, ob Geldgeschenke der Großmutter als Einkommen bei "Hartz IV" berücksichtigt werden müssen oder nicht oder nur teilweise.

Nachtrag 24.08.2011: Es kam, wie es kommen musste. Nach ein paar Hinweisen an das Jobcenter, dass formelle Kriterien nicht eingehalten wurden (haben das die Vorinstanzen übersehen?), nahm das Jobcenter die Bescheide zurück. Eine Entscheidung zu der eigentlichen Frage erging nicht (BSG PM 23/11), so dass ein Berufen auf diesen Verfahren wohl nicht immer was nützt, was auch die Presse mitteilt.

Systemversagen

Viele Menschen halten den Aufbau des deutschen Krankenversicherungssystems für fehlerhaft. Aber das ein Gericht ein Systemversagen bestätigt ist eher selten.

Das Hessische LSG hat - laut Pressemitteilung vom 15.08.2011 - ein solches Systemversagen festgestellt.

Eine an metastasiertem Darmkrebs leidende Frau wurde im Jahr 2005 von ihrem Hausarzt zur Chemo-Embolisation in eine Universitätsklinik überwiesen. Den dort im Zentrum der Radiologie damals tätigen Professor V. hatte die Kassenärztliche Vereinigung Hessen zur ambulanten Behandlung mit diesem in der palliativen Krebstherapie eingesetzten Verfahren zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ermächtigt. Trotz des Überweisungsscheins ließ der Arzt die erkrankte Frau ein Formular für private Behandlungen unterzeichnen und stellte ihr die Kosten für ambulant durchgeführte Chemo-Embolisationen in Rechnung. Tatsächlich hatte er die Versicherte jedoch mit dem Verfahren der transarteriellen Chemo-Perfusion behandelt.

Die von der Versicherten beantragte Kostenerstattung lehnte die Krankenkasse mit der Begründung ab, dass die Chemo-Perfusion nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt sei.

Das Sozialgericht wies die Klage der im März 2008 verstorbenen Frau zurück. Die Chemo-Perfusion sei eine neue Behandlungsmethode, die nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen gehöre. Hiergegen legte der Ehemann der Verstorbenen Berufung ein.

Das Hessische LSG verurteilte nun die Krankenkasse zur Erstattung der Kosten für die vor dem ablehnenden Bescheid der Beklagten durchgeführten Behandlungen in Höhe von rund 18.700,- €. Die Versicherte habe sich nicht bewusst außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenkassen begeben. Denn ihr sei zunächst nicht bekannt gewesen, dass Professor V. Chemo-Perfusion anstelle der verordneten und in Rechnung gestellten Chemo-Embolisation durchführe. Im Hinblick auf den für sie wahrnehmbaren Behandlungsablauf habe sie hiervon auch nicht ausgehen müssen. Da die von ihr unterzeichneten Vordrucke keine konkret durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen auswiesen, habe sie ferner nicht annehmen müssen, dass die Behandlungen nicht zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen gehörten. Die von Professor V. unter Druck gesetzte schwer erkrankte Versicherte habe vielmehr davon ausgehen können, dass hiermit lediglich die Vergütung der Chefarztleistungen abgesichert werden sollte, im Übrigen aber die Krankenkasse die Behandlung zahle.

Damit liege ein sogenanntes Systemversagen vor, welches ein Akteur im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ausgelöst habe. In diesem Fall sei es nicht sachgerecht, den Versicherten auf seinen gegenüber dem Arzt bestehenden Rückforderungsanspruch wegen unwirksamer Vergütungsvereinbarung zu verweisen, den er gegebenenfalls vor dem Zivilgericht geltend machen müsse.

Die Darmstädter Richter entschieden jedoch auch, dass mit der Kenntnis der Versicherten vom ablehnenden Bescheid der Krankenkassen ein Systemversagen nicht mehr vorliege. Denn ab diesem Zeitpunkt war der Versicherten bekannt, dass Professor V. sie mit der - nicht zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse gehörenden - Chemo-Perfusion behandle. Die nach diesem Zeitraum angefallenen Kosten in Höhe von rund 50.000,- € seien daher von der Krankenkasse nicht zu erstatten.

Fazit des Gerichts: Geht ein Versicherter aufgrund unzureichender Aufklärung eines Vertragsarztes davon aus, er erhalte eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse, liegt ein sogenanntes Systemversagen vor. In diesem Fall muss die Krankenkasse die Behandlungskosten auch dann übernehmen, wenn der Versicherte einen Privatbehandlungsvertrag mit dem Arzt unterzeichnet hat

Mittwoch, 10. August 2011

Wirre Formulare und darauf beruhende Falschangaben

Ein Vater beantragte für sein behindertes Kind eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Im Formular wurde gefragt, ob Kindergeld an das Kind weitergeleitet werde. Dies bejahte der Vater. Daraufhin wurde bei der Leistungsberechnung das Kindergeld als Einkommen des Kindes mindernd berücksichtigt.

Erst der Antrag eines aufmerksamen Anwaltskollegen auf Überprüfung des Leistungsbescheides mit dem Hinweis, dass das Kindergeld der Familienkasse - und nicht dem behinderten Kind - zugeflossen und deshalb nicht mindernd als Einkommen zu berücksichtigen sei, verhalf der Familie zum Recht.

Die Behörde bewilligte jedoch nur für die Zukunft höhere Leistungen ohne Anrechnung des Kindergeldes. Der Vater begehrte dies jedoch auch rückwirkend, da er nach seiner Auffassung nur irrtümlich unter Verkennung des Begriffs "Weiterleitung" die Frage falsch beantwortet habe.

Von einer Weiterleitung geht die Rechtsprechung jedoch nur aus, wenn das Kindergeld dem Kind tatsächlich bar übergeben oder auf dessen Konto überwiesen wird und dem Kind zur freien Verfügung steht. Das war jedoch hier nicht der Fall.

Dennoch lehnte die Behörde ein rückwirkend höhere Leistung ab. Zu Unrecht, wie nun das Hessische LSG feststellte (Mitteilung vom 09.08.2011).Die falschen Angaben des Vaters seien unschädlich, da er nicht vorsätzlich gehandelt habe. Er habe weder gewusst, dass seine Angaben falsch waren, noch habe er dies billigend in Kauf genommen. Vielmehr sei ihm der Begriff des „Weiterleitens“ des Kindergeldes nicht verständlich gewesen.

Der Anspruch auf Nachzahlung erstrecke sich – so die Richter weiter - auch auf die gesamte Zeit seit der Antragstellung. Denn die seit dem 1. April 2011 geltende Regelung, dass Sozialhilfeleistungen nach Rücknahme eines rechtswidrigen Leistungsbescheides nur noch für ein Jahr vor der Rücknahme erbracht werden, gelte nicht für die vor diesem Stichtag gestellten Anträge.

Mittwoch, 3. August 2011

Warum ein Abwarten mit dem Antrag sinnvoll sein kann?

Nach der Neuregelung in § 37 II Satz 2 SGB II wirkt ein Antrag auf Sozialleistungen auf den Monatsersten zurück.

Dies führt unter anderem dazu, dass Einkommen, welches erst in diesem Monat zufließt, anzurechnen ist. Nach früherer Rechtslage war z.B. folgende Gestaltung möglich.

Einkommen kam immer zum 15. des Folgemonats. Wurde nun vom 1. des Monats an Sozialleistung beantragt, wurde das nachbezahlte Einkommen nach dem Zuflussprinzip angerechnet. Wer jedoch erst am 16. des Monats den Antrag auf Sozialleistungen stellte, bekam ohne Einkommensanrechnung Sozialleistungen für den anteiligen Monat.

Nach neuer Rechtslage ist die Gestaltung nun in dem Rahmen möglich, dass bis kurz vor Monatsende ein Zahlungseingang aus Einkommen oder ähnlichem (z.B. Steuererstattung) abgewartet wird. Kommt ein bedarfsdeckendes Einkommen nicht, kann noch am letzten Tag des Monats der Antrag auf die Sozialleistungen für den ganzen Monat gestellt werden.

ABER VORSICHT: Achten Sie darauf, dass der Antrag tatsächlich und nachweisbar dem Jobcenter zugeht!

Freitag, 15. Juli 2011

Die Auswahl eines Sachverständigen ...

obliegt originär dem Gericht nach § 404 ZPO, welcher auch in der Sozialgerichtsbarkeit Anwendung findet. Eine Ausnahme hierzu stellt der § 109 SGG dar, wonach eine Partei einen Sachverständigen benennt, der dann vom Gericht zu beauftragen ist.

Nun gibt es oft das Problem in der flexiblen Arbeitswelt, dass Ärzte das Krankenhas verlassen usw.. Kommt dann ein Gutachtenauftrag vom Sozialgericht reichen Krankenhäuser den Auftrag oft an den Nachfolger weiter. Nach einer Entscheidung des BSG vom 02.12.2010 (B 9 SB 2/10 B) ist dies jedoch unzulässig.

Die Auswahl der natürlichen Person als Gutachter obliegt dem Gericht, nicht dem Krankenhaus. Wird ein Gutachtenauftrag einfach dem Nachfolger übergeben, entscheidet das Krankenhaus über den Gutachter. Dies ist nicht hinnehmbar (vgl. § 407 a ZPO). Zumindest bedarf es hierfür einer ausdrücklichen nach außen erkennbaren Zustimmung des Prozessgerichtes.

ERGO: Prüfen Sie immer, wer das Gutachten erstellt hat und ob dies die im beweisbeschluss bestellte Person ist.

Donnerstag, 14. Juli 2011

Unfallversicherung auf Dienstreise?

Ein Baumarktleiter nahm an einem zweitägigen Treffen von Baumarktleitern bei einem Lieferanten teil. Im Rahmen dieses Treffend fand zwischen den Teilnehmern ein Fussballfreundschaftspiel statt. Der Baumarktleiter verletzte sich. Aufgrund des Unfalles veröangte er Leistungen von der Berufsgenossenschaft. Diese lehnte jedoch Leistungen ab und meinte, dass bereits kein Arbeitsunfall vorliege, da das Fußballspiel nach Abschluss der regulären Tagung stattgefunden habe und somit als Freizeitaktivität dem privatwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen sei.

Die Klage hiergegen war nicht erfolgreich. Zwar verwies der Baumarktleiter darauf, dass das Fußballspiel eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung und zudem ein fester Bestandteil des Tagungsprogramms gewesen sei.

Nach Auffassung des Hessischen Landessozialgerichts (Pressemeldung 21/11) hat sich der Kläger zwar auf einer unfallversicherten Dienstreise verletzt, Versicherungsschutz bestehe während einer Dienstreise allerdings keineswegs "rund um die Uhr". Versichert seien vielmehr lediglich solche Tätigkeiten, die mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhängen. Das Fußballspiel dagegen habe der Auflockerung der Veranstaltung gedient und sei damit dem Rahmenprogramm zuzuordnen. Hieran ändere auch die Aufnahme in die Tagesordnung der Veranstaltung nichts. Andernfalls läge es in der Hand des jeweiligen Unternehmers, den Unfallversicherungsschutz auf unversicherte Tätigkeiten auszuweiten. Im Übrigen sei der Kläger zur Teilnahme an sportlichen Aktivitäten weder aus arbeitsvertraglichen noch aus sonstigen Gründen verpflichtet gewesen.

Montag, 4. Juli 2011

Einkommensanrechung verbessert zum 01.07.2011

Die Erwerbstätigenfreibeträge (Hinzuverdienstmöglichkeiten) wurden ausgeweitet. Hiernach bleiben die ersten 100 Euro vom Erwerbseinkommen als Freibetrag bestehen. Bei einem Einkommen aus Erwerbstätigkeit zwischen 100 und 1.000 Euro werden für SGB II-Empfängerinnen und Empfänger künftig 20 Prozent ihrer Einkünfte von der Anrechnung freigelassen. Darüber (bis zur Höhe von 1.200 Euro, bzw. 1.500 Euro für Haushalte mit Kindern) bleiben weiterhin 10 Prozent der Einkünfte anrechnungsfrei. Dies ergibt sich aus § 11 b III SGB II.

Montag, 27. Juni 2011

Wenn das Schonvermögen nicht mehr geschont wird

Eine Erbin - selbst keine Sozialleistungsbezieherin - übernahm den Nachlass eines Sozialleistungsberechtigten. Dieser hatte ein Schonvermögen von ca. 22.000 €, welches nicht angerechnet wurde. Der Erblasser bezog über mehrer Monate Sozialleistungen in einer Gesamthöhe von 11.918,04.

Die Erbin erhielt Post von der Behörde mit der Aufforderung, den Betrag von 11.918,04 € an die Behörde zurückzuzahlen. Hiergegen wehrte sie sich vor Gericht.

Das SG Berlin gab der Erbin nicht Recht (24.05.2011 - S 149 AS 21300/08) und stützte die Entscheidung auf § 35 SGB II. Dass es sich bei dem Nachlass um Schonvermögen beim Erblasser handelte, spielt keine Rolle.

Bemerkenswert ist zudem, dass das Gerichtsverfahren nicht kostenfrei war für die Klägerin. Entgegen dem Grundsatz der Kostenfreiheit, wird nun von der Klägerin Geld verlangt.

Dienstag, 24. Mai 2011

Betriebskostenguthaben und Arbeitslosengeld II - keine Anrechnung

Im Regelfall werden Guthaben aus Betriebskostenabrechnungen in der Berechnung des Arbeitslosengeldes II berücksichtigt. Das Sozialgericht Chemnitz (S 33 AS 5000/10) entschied nun Sachverhalte, in denen eine Anrechnung des Guthaben rechtswidrig war. So erfolgt keine Anrechnung, wenn das Guthaben mit Mietrückständen verrechnet wird und es deshalb zu keiner Auszahlung an den Leistungsempfänger kommt.

Donnerstag, 5. Mai 2011

umgekippter Muldenkipper - kein Arbeitsunfall

Der heute 71-jährige Kläger beförderte im April 2009 mit seinem Muldenkipper Schotter auf der Baustelle eines Einfamilienhauses, weil ein Freund des Bauherrn ihn hierum gebeten hatte. Nach elfstündiger Arbeit auf der Baustelle stürzte der Muldenkipper um und der Kläger geriet unter das Fahrzeug. Er wurde dadurch schwer verletzt und musste anschließend über fünf Monate stationär im Krankenhaus behandelt werden.

Die Berufsgenossenschaft lehnte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Kläger sei auf der Baustelle nicht wie ein Arbeitnehmer tätig geworden und habe deshalb auch keine Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 02.03.2011, Az.: S 23 U 73/10 gab der Berufsgenossenschaft Recht, denn der Kläger war nicht wie ein Arbeitnehmer, sondern wie ein Unternehmer tätig.

Die Tätigkeit des Klägers sei nicht ähnlich der eines Beschäftigten gewesen, weil der Kläger wie ein Unternehmer gearbeitet habe, der einen Werkvertrag über das Befördern und Abladen von Schotter erfüllt. Der Bauherr habe weder über einen für die Schotterarbeiten erforderlichen Muldenkipper verfügt noch diesen bedienen können, so dass er insoweit dem Kläger auch keine Weisungen habe erteilen können. Er habe auf den Kläger wie auf einen Fachunternehmer zurückgegriffen.

Dieser habe wie ein Unternehmer mit seinem eigenen Arbeitsgerät – dem Muldenkipper – die Arbeit verrichtet und auch nur er allein habe dieses Fahrzeug auf der Baustelle bedient. Er sei auch in seiner Zeiteinteilung frei und nicht wie ein Arbeitnehmer in das Unternehmen des Bauherrn eingliedert gewesen.

Arbeitsunfall trotz Betriebsaufgabe?

Ein Landwirt hatte sein landwirtschaftliches Unternehmen aufgegeben und weiterverpachtet. Die von der Viehhaltung verbliebene Gülle lagerte er weiter in der Gülle-Grube. Jahre später drohten Schneeschmelze und heftiger Regen die Grube überlaufen zu lassen. Bei der Leerung, die sich wegen "Verkrustungen" schwieriger gestaltete, verletzte sich der vormalige Landwirt.

Die Verletzungsfolgen sollte als Arbeitsunfall die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft tragen. Die aber lehnte den Unfallversicherungsschutz ab.

Das Bayerische Landessozialgericht (L 2 U 556/09) gab der Berufsgenossenschaft Recht. Zwar seien auch Abwicklungsarbeiten unfallversichert wie Verkaufsverhandlungen, Verwertung des Betriebsvermögens, Gewerbeabmeldung oder Aufräumarbeiten. Allerdings sei hier nicht allein auf einen inhaltlichen Zusammenhang abzustellen, maßgeblich sei vielmehr die zeitliche Komponente: der Unfall habe sich zehn Jahre nach der Stilllegung ereignet und damit klar nach dem Ende des Unfallversicherungsschutzes.

Die Abgrenzung von privaten, nicht unfallversicherten zu unternehmerischen, unfallversicherten Geschäften ist häufig diffizil. Geschäftliche und private Dinge liegen oft nebeneinander oder überschneiden sich, private Angelegenheiten werden oft auch mit Rücksicht auf geschäftliche gesteuert und umgekehrt. Die vorliegende Entscheidung gibt über den drastischen Einzelfall hinaus Anhaltspunkte dafür, wie und nach welchen Kriterien die Abgrenzung bei Fällen der Betriebsaufgabe zu vollziehen ist.

Dienstag, 3. Mai 2011

Unfallversicherung bei Nachbarschaftshilfe

Ein Pensionist hatte ein zur Dachrinnenrenovierung aufgestelltes "Blitzgerüst" genutzt, um im Rahmen einer Nachbarschaftshilfe den Giebel der Doppelhaushälfte seines Nachbarn zu streichen. Für Arbeiten dieser Art war das Gerüst jedoch nicht geeignet. Es kam, wie es kommen musste - das Gerüst stürzte um und der Pensionist starb infolge dieses Unfalls.

Seine Witwe machte gegenüber der Berufsgenossenschaft geltend, ihr Ehemann sei für den Nachbarn "wie ein Beschäftigter" tätig gewesen und habe damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Die Berufsgenossenschaft verweigerte allerdings sämtliche Witwenleistungen. Die Leistugen hätten im eigenen Interesse des Verunfallten gestanden und ausserdem habe es sich nur um eine alltägliche Gefälligkeit gehandelt.

Vor dem LSG Bayern (Entscheidung vom 29.03.2011; Az.: L 3 U 255/10) bekam die Witwe Recht.

Das Landessozialgericht begründete die Entscheidung damit, dass unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auch derjenige steht, welcher beschäftigungsähnlich handelt. In einem solchen Fall sei das Haftungsrisiko dem nutznießenden Unternehmen zuzurechnen. Dies war in dem vorlegenden Sachverhalt der Fall gewesen, denn der Verunfallte hat mit seinem Fachkönnen und entsprechend dem Willen des Nachbarn umfangreiche Malerarbeiten von wirtschaftlichem Wert erbracht.

Der Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst also auch im Rahmen der Nachbarschaftshilfe Arbeiten von Wert. Das setze voraus, dass die Arbeiten über alltägliche Gefälligkeiten hinausgehen.

ABER: Liege ein gesetzlich versicherter Unfall vor, sind weitere Haftungsansprüche gegen den Auftraggeber ausgeschlossen. Von ihm Schadensersatz und Schmerzensgeld zu fordern sei dann nicht möglich.

Dienstag, 26. April 2011

Schein- oder Selbstständig mit Fahrerdienstleistungen

Ein Fahrer ohne eigenes Fahrzeugs beantragte bei der Bundesagentur für Arbeit die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses. Er wollte eine mehr als kurzzeitige, hauptberufliche Tätigkeit als "selbstständiger Kraftfahrer" aufnehmen. Der Kläger meinte, dass er selbstständig sei, da er als Dienstleister seine Tätigkeit als Fahrer für Omnibusse und gegebenenfalls auch Lastkraftwagen oder Taxi deutschlandweit per Internet und Anzeigen in Fachzeitschriften sowie durch persönliche Vorstellungsgespräche bekannt mache und anbiete. Die Bundesagentur versagt den Zuschuss zur Existenzgründung mit der Begründung, die aufgenommene Tätigkeit sei nur zum Schein selbstständig, tatsächlich aber eine abhängige Beschäftigung. Angeboten werden sollten keine Frachtführerleistungen, sondern Fahrerarbeiten.

Das LSG München gab mit Entscheidung vom 29.03.2011 (L 8 AL 152/08) dem Arbeitslosen Recht und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger einen Existenzgründungszuschuss zu gewähren.

Nach Ansicht des Gerichtes kam es in diesem Fall darauf an, dass die Gesamtabwägung der relevanten Umstände eine selbstständige Tätigkeit ergebe. Dies folge unter anderem aus der Entwicklung der Geschäftstätigkeit zu einem etablierten Serviceangebot für Fahrpersonal sowie die Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft. Nicht zu unterschätzen war auch die Feststellung der angebotenen Dienstleistungsvielfalt und der Vielzahl an Auftraggebern.

Dienstag, 19. April 2011

Verletztenrente ist als Einkommen anzurechnen

Ein Bezieher von ALG II - Leistungen erhielt daneben Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines Arbeitsunfalls. Diese Verletztenrente wurde auf die Leistungen nach dem SGB II als Einkommen angerechnet. Die Klage und Verfassungsbeschwerde hiergegen war erfolglos. Das BVerfG hat laut Pressemitteilung entschieden (1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08), dass die Anrechnung als Einkommen verfassungskonform ist.

Montag, 18. April 2011

Geschenk oder Darlehen - wichtig bei ALG II - Bezug

Das SG Berlin (18.01.2011 - S 157 AS 26445/08) hat entschieden, dass Unklarheiten darüber, ob eine Geldzahlung von Verwandten zur Unterstützung eines Hartz IV-Empfängers ein Geschenk oder nur ein Darlehen sein sollte, zu Lasten des Hartz IV Empfängers gehen.

Dienstag, 5. April 2011

Betriebsprüfung und neue Erkenntnisse - was nun?

Ein Rentenversicherungsträger hatte bei einem Entsorgungsunternehmen bereits eine Betriebsprüfung durchgeführt. Der Bescheid über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen war bestandskräftig geworden.

Im darauf folgenden Jahr hatte das Finanzamt Lohnsteuer auf bislang nicht berücksichtigte Verpflegungsmehraufwendungen für einzelne Mitarbeiter nachgefordert.

Diesen Bescheid wertete der Rentenversicherungsträger in der folgenden Beitragsprüfung aus und machte über den aktuellen Prüfzeitraum hinaus auch für den bereits geprüften Zeitraum Nachforderungen geltend. Dagegen wandte sich das Entsorgungsunternehmen und erhob Klage.

Das LSG Bayern (vom 18.01.2011 -Az.: L 5 R 752/08) hat die Beitragsforderung für den früheren Prüfzeitraum aufgehoben. Aufgrund der Bestandskraft des diesen Prüfzeitraum abschließenden Nachforderungsbescheides hätte eine denselben Zeitraum betreffende Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB X zurückgenommen werden dürfen. Diese waren im zu entscheidenden Falle nicht eingehalten.

Die Entscheidung des LSG Bayern stärkt die Rechtssicherheit nach Beitragsprüfungen. Das Urteil stellt zwar keinen Freibrief für betroffene Arbeitgeber aus, betont aber den Grundsatz, dass schutzwürdiges Vertrauen in der Regel Vorrang vor der Beitragsnachforderung genießt. Die Entscheidung betont, dass das Verfahrensrecht des SGB auch für Beitragsprüfungen stringent anzuwenden ist.

Quelle: Pressemitteilung des LSG Bayern vom 31.03.2011

Donnerstag, 31. März 2011

freiwillige Krankenversicherung - Auswirkung einer fehlenden Beratung durch die Krankenkasse

Wenn eine Krankenkasse pflichtwidrig nicht über die Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und die dafür geltende dreimonatige Ausschlussfrist berät, ist der Betroffene bei einer späteren Anzeige des Beitritts im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte er die Frist gewahrt. Dies hat das Landessozialgericht in Mainz (03.03.2011, Aktenzeichen: L 5 KR 108/10)entschieden.

In der Pressemitteilung des Gerichtes heißt es weiter:
Der Krankenkasse war durch eine Mitteilung des Sozialhilfeträgers der Bezug von Sozialhilfe durch den Betroffenen bekannt und auch die Bereitschaft dieses Trägers, die Kosten für eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen. Damit trat ein Beratungsbedarf objektiv klar zutage, da anzunehmen war, dass der Hilfebedürftige von der Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung Gebrauch machen würde. Weil ihm durch die Versäumung der Ausschlussfrist ein Nachteil entstanden war, musste er durch den richterrechtlich vom Bundessozialgericht entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so gestellt werden, als hätte er seinen Beitritt fristgerecht angezeigt.

Dienstag, 29. März 2011

Betriebskostenerstattung und Anrechnung auf Sozialleistungen

Nach einer Entscheidung des SG Dresden (25.03.2011 - S 40 AS 391/09) sind Betriebskostenguthaben auf Sozialleistungen anzurechnen, auch wenn die Vorausszahlungen nicht durch den Träger der Sozialleistungen erbracht wurden.

Depression und Erwerbsminderung

Nach Ansicht der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See ist eine Depression innerhalb eines Zeitraumes von 6 Monaten gut behandelbar. Weil es eine nur vorübergehende Erkrankung darstellt, wurde dem Antragsteller keine Erwerbsminderungsrente gewährt.

Das SG Dresden (25.03.2011 -S 24 R 289/09) hat nun rechtskräftig entschieden, dass im zu beurteilenden Einzelfall doch ein Anspruch auf Erwebsminderungsrente bestand. Ausschlaggebend war, dass im konkreten Fall die Behandlungsdauer mehr als 6 Monate betrug.

Zwar erfasse der gesetzlich verwendete Begriff "auf nicht absehbare Zeit" einen Zeitraum von sechs Kalendermonaten, jedoch wird eine Erwerbsminderung dann nicht ausgeschlossen, wenn die Erwerbsminderung bereits länger als sechs Monate andauert. Dann ist zumindest eine befristete Rente zu gewähren.

Es kommt jedoch auch darauf an, dass der Betroffene mitwirkt. Ein künstliches Verlängern der Behandlungszeit durch Weigerung etc. kann einem Erwerbsminderunganspruch entgegenstehen.

Dienstag, 8. März 2011

Erbschaft und ALG II

Der Erhalt einer Erbschaft kann zu Einschränkungen und Wegfall eines ALG II- Anspruches führen, da die Erbschaft als Einkommen angesehen wird.

Dies bestätigte nun das sächsische LSG mit Entscheidung vom 21.02.2011 (L 7 AS 725/09) auch für das Geboet des Freistaates Sachsen.

Freitag, 25. Februar 2011

Fernsehgerät gehört nicht zur Erstausstattung einer Wohnung

Der Kläger begehrt von dem beklagten Landkreis Göttingen Leistungen für ein Fernsehgerät im Rah­men der Erstausstattung einer Wohnung. Die Gewährung von Leistungen für ein Fernsehgerät lehnte der Landkreis ab. Die hiergegen gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich.

Das Bundessozialgericht hat die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der beklagte Grundsicherungsträger war nicht verpflichtet, als Erstausstattung für die Wohnung auch Leistungen für ein Fernsehgerät zu erbringen. Zur Erstausstattung einer Wohnung gehören nur wohnraumbezogene Gegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen erforderlich sind. Hierzu zählt ein Fernsehgerät nicht. Es ist weder ein Einrichtungsgegenstand noch ein Haushaltsgerät.

Die auf die Wohnung bezogenen Leistungen des SGB II dienen, insbesondere mit der
Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft (KdU), dem Zweck, dem Hilfebedürftigen ein menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen, das die grundlegenden Bedürfnisse Aufenthalt, Schlafen und Essen sicherstellt. Fehlen dem Hilfebedürftigen bei Gründung eines eigenen Hausstan­des die hierfür erforderlichen Gegenstände, so sind hierfür gesondert neben der pauschalierten Re­gelleistung Leistungen zu erbringen. Aus der Tatsache, dass "Fernsehen" ein elementarer Bestandteil der herrschenden Lebensgewohnheiten ist und etwa 95 % der Bevölkerung mit Möglichkeiten zum Empfang von Fernsehprogrammen ausgestattet sind, folgt nichts anderes. Die Sicherstellung von Freizeit-, Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen, der das Fernsehen dient, soll grundsätzlich aus der Regelleistung erfolgen. Insoweit erforderliche Konsumgegenstände, die wie das Fernsehgerät entsprechend verbreitet sind, aber nicht zur Erstausstattung einer Wohnung zählen, können ‑ im Ge­gensatz zum Rechtszustand unter dem Bundessozialhilfegesetz ‑ nur noch darlehensweise erbracht werden (vgl § 23 Abs 1 SGB II).

Arbeitsunfall Amokfahrt

Die in Neukölln wohnende Frau war Eigentümerin eines Blumenstandes. Während die Frau vor dem Klinikum Neukölln Blumen verkaufte, raste ihr Exmann mit einem gemieteten Kleintransporter in ihren Stand. Die Frau wurde lebensgefährlich verletzt. Wenige Stunden zuvor hatte der Exmann versucht, seine aktuelle Partnerin zu erstechen. Später brachte er sich um. Da die Frau auf Ihrem Arbeitsplatz verletzt wurde begehrte sie die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Die Berufgsgenossenschaft lehnte ab mit Verweis darauf, dass es sich um einen rein privaten Konflikt gehandelt hat. Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit der Frau und dem Vorfall habe nicht bestanden.

Die Frau klagte gegen den Ablehnungsbescheid der Berufsgenossenschaft vor dem SG Berlin. Dieses entschied zu ihren Gunsten (Urteil vom 22. Februar 2011 (S 25 U 406/10). Begründet wurde dies damit, dass nicht aufklärbar war, ob tatsächlich rein persönliche Gründe zu dem Unfall führten oder dies im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit der Blumenhändlerin stand. Die Vermutung spricht für einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.

In der Pressemitteilung werden die Urteilsgründe wie folgt zusammengefasst.

Wer am Arbeitsplatz verletzt wird, steht grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Entscheidend für die Frage, ob auch ein Angriff (z. B. Überfall oder – wie hier – Amokfahrt) als Arbeitsunfall anzusehen ist, ist das Motiv des Angreifers. Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung entfällt nur dann, wenn die Beweggründe ausschließlich dem persönlichen Bereich der Beteiligten zuzurechnen sind. Hierfür trifft den Unfallversicherungsträger die Beweislast.

Bleiben die genauen Motive einer Gewalttat am Arbeitsplatz im Dunkeln, hat das Opfer Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Im vorliegenden Fall gibt es sowohl Anhaltspunkte für eine Beziehungstat als auch für ein berufsbezogenes Motiv des Täters. Es ist denkbar, dass der Täter, der früher selbst einen Blumenstand betrieben hatte, aus Neid auf den beruflichen Erfolg der Klägerin gehandelt hat. Möglicherweise kam es ihm besonders darauf an, zusammen mit dem Blumenstand die wirtschaftliche Existenz der Klägerin zu zerstören. Hierfür spricht unter anderem, dass aufgrund der Rundumverglasung des Blumenstandes mit Plexiglas von außen gar nicht genau erkennbar gewesen war, dass sich die Klägerin im Innern des Standes aufgehalten hatte.

Da der Täter sich während der Untersuchungshaft das Leben genommen hatte, schied seine Befragung aus. Vor der Polizei hatte er zu seinen Motiven geschwiegen. Auch der vom Gericht als Zeuge gehörte Lebensgefährte der Klägerin machte zum Tathintergrund keine Aussagen.

Das Urteil kann von der Berufsgenossenschaft noch mit der Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam angefochten werden.

Montag, 21. Februar 2011

Hoppe, hoppe, Reiter ...

... ist ein bekannter Kinderspruch. Doch das LSG Niedersachsen - Bremen musste einen tragischen Fall verhandeln.

Drei Freunde wollten ausreiten zu einer Gaststätte. Da ein Pferd erkrankt war, überließ ein Viehhändler der illustren Gruppe ein anderes Pferd.

Nach der Löschung des Durstes fiel der Kläger auf dem Rückweg vom Pferd und war hiernach querschnittsgelähmt. Aufgrund des Unfalls begehrte er nun die Feststellung, dass es ein Arbeitsunfall gewesen sei. Folge dessen wäre, dass er eine intensivere und umfangreichere Behandlung und Rehabilitation erfahren würde und gegebenenfalls eine Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen könnte.

Die zuständige Berufsgenossenschaft vertrat die Auffassung, dass kein Arbeitsunfall vorgelegen habe, da der Kläger kein Arbeitnehmer war und auch nicht als solcher tätig wurde.

Nach Vernehmung von Zeugen kam auch das LSG Niedersachsen - Bremen am 25. Januar 2011 (Az.: L 9 U 267/06) zu diesem Ergebnis.

Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass er vom Viehhändler beauftragt wurde, das gestellte Pferd zuzureiten. Vielmehr sei dieses ihm bloss überlassen wurden für den schon länger geplanten Ausflug mit seinen Freunden. Deshalb stehen ihm gegenüber der Berufsgenossenschaft keine Ansprüche zu.

Dienstag, 15. Februar 2011

Kein Anspruch auf Zustimmung zur Kostenübernahme vor Umzug im Eilverfahren

Nach einer Entscheidung des LSG NRW (Beschluss vom 17.01.2011 – L 6 AS 1914/10 B ER) können Empfänger von Leistungen der Grundsicherung („Hartz-IV“ oder ALG II) einen Anspruch auf Zusicherung der Kostenübernahme für eine neue Wohnung vor einem Umzug nicht per Eilbeschluss gegen die zuständige Behörde durchsetzen.

Nach Ansicht des Gerichtes könnten die Antragsteller ja umziehen und doe Kostenüberahme auch später im Hauptverfahren durchsetzen. Das damit verbundene Risiko und die Zeit (oft mehrere Monate) ohne volle Kostenübernahme, werden wohl dazu führen, dass ein Umzug sorgfältiger vorbereitet werden muss.

Berufsunfähigkeitsrente nur für Facharbeiter

Ein früherer Korrosionsschutzarbeiter hat ohne Erfolg eine Rente wegen Berufsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung eingeklagt. Nach Auffassung der Richter des LSG Sachsen Anhalt (Urteil v. 27.05.2010 - L 3 R 510/06) habe der Kläger ohne Facharbeiterausbildung keinen entsprechenden Berufsschutz. Er sei zwar langjährig vollwertig in Teilbereichen des Facharbeiterberufs Maler und Lackierer tätig gewesen, habe jedoch nicht über alle Kenntnisse dieses Berufs verfügt. Deshalb könne er nur als oberer Angelernter eingestuft werden und sei auf eine Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte verweisbar, die in Deutschland noch existiere. Ein bestimmter Arbeitsplatz müsse ihm nicht angeboten werden.

Mittwoch, 9. Februar 2011

Elterngeld richtig berechnen

Die Frage, wie Elterngeld richtig berechnet wird und welches Geld überhaupt in die Berechnung einzubeziehen ist, ist nicht immer einfach zu beantworten.

Das Bundessozialgericht hilft ein wenig weiter mit seiner Entscheidung vom 30.09.2010 (B 10 EG 19/09 R). Hiernach ist für die Bemessung des Elterngeldes nicht nur das dem Berechtigten im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossene, sondern auch das darin erarbeitete und erst nach dessen Ablauf infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen.

Hintergrund der Entscheidung war, dass einer Arbeitnehmerin zu wenig Geld abgerechnet und ausbezahlt wurde. Sie klagte auf den vertragsgemäßen Lohn. Bei Beantragung des Elterngeldes für die Elternzeit konnte die Arbeitnehmerin jedoch nur die zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Vergütungsabrechnungen vorlegen (das Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht war noch nicht beendet).

Elterngeld wurde nun auf Basis der - unzutreffenden - Abrechnungen über die tatsächlich gezahlte Vergütung berechnet und bewilligt, obwohl die Arbeitnehmerin darauf hinwies, dass ihr mehr Vergütung zustehe und diese eingeklagt wird.

Das BSG gab ihr letztlich Recht. Die wesentlichen Passagen aus dem Urteil lauten:

"Dazu bestimmt § 2 Abs 7 Satz 4 BEEG, dass Grundlage der Einkommensermittlung die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers sind. Diese Regelung soll lediglich der Erleichterung der Sachverhaltsaufklärung dienen, sie begründet jedoch keine rechtliche Bindung an die Feststellungen des Arbeitgebers. ... Nach Auffassung des erkennenden Senats ist für die Bemessung des Elterngeldes nicht nur das dem Berechtigten im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossene, sondern auch das darin erarbeitete und erst nach dessen Ablauf infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. ... "

Freitag, 4. Februar 2011

keine sinnvolle Versicherung

ist eine Haftpflichtversicherung für Kinder bei Langzeiterwerbslosen. Das Jobcenter muss die Kosten nicht tragen im Rahmen eines Abzuges einer Versicherungspauschale. Dies meint das SG Chemnitz (Pressemitteilung vom 03.01.2011).

Damit dürfte das Geschäft windiger Versicherungsverkäufer schwieriger geworden sein.

Donnerstag, 3. Februar 2011

Falschberatung der Agentur für Arbeit führt zu längerer Bezugsdauer

Eine noch nicht ganz 58 Jahre alte Arbeitnehmerin verlor Ihren Job und meldete sich Arbeitslos. Zwei Monate später vollendete sie Ihr 58. Lebensjahr.

Die Agentur für Arbeit gewährte dem Gesetz nach 18 Monate Arbeitslosengeld. Da die Arbeitslose damit nicht zufrieden war und 24 Monate Leistungen erhalten wollte klagte sie - erfolgreich!

Das Sozialgericht Chemnitz (Urteil vom 20.1.2011 – S 6 AL 986/09) führte aus, dass die Agentur die Klägerin auf die Möglichkeit hätte hinweisen müssen, den Beginn der Arbeitslosengeldzahlung zu verschieben. Weil dieser Hinweis nicht kam, kann die Arbeitslose aufgrund des sozialrechtlichen Wiederherstellungsanspruchs nun 24 Monate Arbeitslosengeld beziehen.

Mittwoch, 26. Januar 2011

Es kann nur einen Gewinner geben - Lotto lohnt sch nicht.

Lottospiel lohnt sich nur, wenn die wirklich großen Gewinne abgesahnt werden. Das gilt insbesondere für Leistungsempfänger von ALG II - Leistungen.

Das LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 13. 12. 2010 ‑ L 19 AS 77/09) entschied, dass der 500,- € Gewinn als Einkommen auf ALG II - Leistungen anzurechnen ist.

Sprich: vom Gewinn hatte der Leistungsempfänger nicht wirklich viel!

Mittwoch, 19. Januar 2011

privat krankenversicherte Leistungsempfänger bekommen mehr Geld

Nun gibt das Urteil des Bundessozialgericht (18. Januar 2011; B 4 AS 108/10 R) Rechtsklarheit. Die Sozialbehörden müssen Leistungsempfängern nach dem SGB II den gesamten Krankenversicherungsbeitrag bezahlen bzw. diesen übernehmen.

Alles andere wäre ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche garantierte Existenzminimum.

Für diese Klarstellung durch die Richter des Bundessozialgerichtes gehört dem klagenden Kollegen Dank.

Betroffene sollten nun handeln und gegebenenfalls für rückwirkende Zeiträume Überprüfungsanträge stellen.

Dienstag, 18. Januar 2011

Hü und Hott - zur Notwendigkeit eines Fortsetzungsantrages für SGB II - Leistungen

Leistungen nach dem SGB II werden regelmäßig nur für 6 Monate bewilligt (§ 41 SGB II). Ob für einen weiteren Leistungsbezug ein Fortsetzungsantrag gestellt werden muss und wann dieser der Leistungsbehörde vorliegen muss, hat das Bundessozialgericht nun entschieden.

Das Bundessozialgerichts (dessen 4. Senat) hat am 18. Januar 2011 (B 4 AS 99/10 R und 29/10 R) entschieden, dass für die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunter­halts nach dem SGB II nach der Beendigung des Bewilligungsabschnitts ein Fortzahlungsantrag erforderlich ist.

Die Kläger des Verfahrens (B 4 AS 99/10 R) stellten ihren Antrag auf Fortzahlung der Leistungen erst 3 1/2 Wochen nach Ablauf des vorangegangenen Bewilligungszeitraums. Die Entscheidung des Beklagten, ihnen auch erst ab dem Eingang des Fortzahlungsantrags Leistungen zur Sicherung des Lebens­unterhalts weiter zu gewähren, hat das Bundessozialgericht ‑ ebenso wie die Vorinstanzen ‑ bestätigt.

Für die 3 1/2wöchige Zwischenzeit mangelte es an einem Antrag, der im Grundsicherungs­recht für Arbeitsuchende anspruchsauslösend (§ 37 SGB II) ist. Anders als im Sozialhilferecht reicht insoweit nicht schon die bloße Kenntnis des Leistungsträgers von der Hilfebedürftigkeit. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte nicht gewährt werden. Ebenso half ein behaupteter Anspruch auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs den Klägern nicht weiter, denn der Beklagte hatte die Kläger zeitnah vor Ablauf des vorangegangenen Bewilligungszeitraums auf das Antragserfordernis hingewiesen und einen entsprechenden Antrag übersandt.

In dem Fall zum Aktenzeichen B 4 AS 29/10 R war die Ausgangssituation insoweit anders, als der Kläger, der durchgehend seit dem 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II bezog, nach dem ersten Bewilligungsabschnitt ohne einen Fortzahlungsantrag gestellt zu haben von dem Beklagten weiterhin Leistungen erhalten hatte. Der Beklagte hatte in dem Weiterbewilligungsbescheid auch nur darauf hingewiesen, dass ein Fortzahlungsantrag rechtzeitig vor Ablauf des Bewilligungsabschnitts (vier Wochen) gestellt werden müsse. Den Fortzahlungsantrag für den dritten Bewilligungszeitraum stellte der Kläger dann erst rund sechs Wochen nach Ablauf des zweiten Bewilligungszeitraums und der Beklagte gewährte Leistungen auch in diesem Fall erst ab Eingang des Fortzahlungsantrags. Das Bundessozialgericht gab hier dem Kläger Recht. Zwar mangelt es auch hier für den Zwischenzeit­raum an einem Fortzahlungsantrag, aber hier bestand ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch des Klägers, weil der Beklagte es pflichtwidrig unterlassen hat, den Kläger zeitnah vor dem Ende des vorhergehenden Bewilligungsabschnitts auf die Notwen­digkeit der Weiterbeantragung von Leistungen hinzuweisen.

Diese Hinweispflicht ergibt sich aus dem Sozialrechtsverhältnis, begründet durch die Leistungsgewährung im vorhergehenden Bewil­ligungsabschnitt, sowie aus der konkreten Fallkonstellation, in der dem Kläger bereits einmal Leistun­gen ohne Fortzahlungsantrag weitergewährt worden waren.

Montag, 17. Januar 2011

kein Darlehen für Stromschulden - kein warmes Essen für Kinder

Eine Leistungsempfängerin hat bei sozialwidrigem Verhalten keinen Anspruch auf ein Darlehen zum Ausgleich von Stromschulden.

Dies entschied das LSG Rheinland-Pfalz am 27.12.2010 (L 3 AS 557/10 B ER).

Die wichtigsten Auszüge aus dem Urteil lauten dabei wie folgt:

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 5 SGB II. Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

Die Vorschrift ist nicht unmittelbar anwendbar, da hier Stromschulden im Streit stehen, die nicht die Heizung betreffen, sondern die die Haushaltsenergie betreffenden sonstigen Stromkosten. Diese werden nicht von den Kosten für Unterkunft und Heizung umfasst, sondern sind nach § 20 Abs. 1 SGB II Bestandteil der Regelleistung. Der Senat hält allerdings in vergleichbaren Notlagen eine entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 5 SGB II für geboten (Beschluss des erkennenden Senats vom 12.12.2008 - L 3 ER 301/08 AS und L 3 B 397/08 AS). ...

Darüber hinaus könnte eine Verpflichtung des Antragsgegners zur darlehensweisen Übernahme der Stromschulden nur bestehen, wenn er in der Hauptsache zu einer positiven Entscheidung verpflichtet wäre. Dies ist aber nicht der Fall.

Bei der Ermessensentscheidung sind in einer umfassenden Gesamtschau die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, nämlich die Höhe der Rückstände, ihre Ursachen, das Alter sowie evtl. Behinderungen der jeweiligen Mitglieder der von der Energiesperre bedrohten Bedarfsgemeinschaft, das in der Vergangenheit vom Hilfesuchenden gezeigte Verhalten (erstmaliger oder wiederholter Rückstand, eigene Bemühungen, die Notsituation abzuwenden und die Rückstände auszugleichen) und ein erkennbarer Wille zur Selbsthilfe. Dabei kann es insbesondere darauf ankommen, ob sich der Leistungsberechtigte missbräuchlich verhalten hat. Dies ist im Regelfall zu bejahen, wenn der Hilfesuchende seine Energiekostenvorauszahlungen bewusst nicht leistet und sein Verhalten darauf schließen lässt, dass er auf eine darlehensweise Übernahme entstehender Schulden durch den Leistungsträger vertraut oder gar spekuliert. In einem solchen Fall wird die Notlage gezielt zu Lasten des Leistungsträgers herbeigeführt. Dies kann jedoch nicht hingenommen werden (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.06.2010, L 13 AS 147/10 B). ...

Das Verhalten der Antragstellerin zu 1) spricht dafür, dass sie die Abschläge bewusst im Vertrauen darauf nicht erbracht hat, dass diese möglicherweise später darlehensweise vom Antragsgegner übernommen werden.

Wie sich aus den Auskünften der R-GmbH und den oben erwähnten Schreiben des Unternehmens vom 17.11.2009 ergibt, sind bereits seit Juni 2009 die für die Stromlieferungen der vorherigen Wohnung in der H-strasse in I geforderten Abschläge ebenso wenig gezahlt worden wie die zum 30.03.2010 gestellte Schlussrechnung. Erst während des hier anhängigen Verfahrens, nämlich am 15.11.2010, ist mit der Nachzahlung an die Prozessbevollmächtigten der größte Teil dieser Schulden beglichen worden. Auch im Jahr 2010 sind Stromabschläge in Höhe von monatlich 50,00 Euro nicht beglichen worden, wie sich aus dem Schreiben der R GmbH vom 21.06.2010 ergibt.

... Auch im Übrigen war sie (die Leistungsempfängerin) durchaus in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen und zu regeln. Sie hat Anträge bei dem Antragsgegner gestellt, wobei sie teilweise auch Zuschüsse wegen einer Klassenfahrt ihrer Tochter oder sonstiger Schulkosten beantragt hat. Im Jahr 2010 hat sie sich auch mehrfach an den Antragsgegner gewandt mit dem Hinweis, dass ihr weiterhin Leistungen zur Rückzahlung des Mietkautionsdarlehns abgezogen wurden, obwohl dieses schon erledigt sein müsste. Warum es der Antragstellerin nicht möglich gewesen sein soll, die Stromkosten zu zahlen, was ggf. durch eine einmalige Lastschriftermächtigung möglich gewesen wäre, erschließt sich dem Senat unter Berücksichtigung ihres sonstigen Verhaltens nicht. ...

Wie oben dargelegt, ist die Wohnung weiterhin beheizbar, auch warmes Wasser ist vorhanden. Einschränkungen bei der alltäglichen Versorgung ergeben sich im Wesentlichen wegen der fehlenden Beleuchtung, fehlender Kochmöglichkeiten und der Nutzung von Haushaltsgeräten, wie etwa einer Waschmaschine. Aber auch dies führt zu keiner anderen Beurteilung. Eine ausreichende Ernährung von Kindern außerhalb des Säuglings- oder Kleinkinderalters von 9, 15 und 16 Jahre kann auch ohne warme Mahlzeiten – zumindest für eine Übergangszeit - sichergestellt werden, zumal die Antragstellerin zu 1) selbst vorgetragen hat, dass diese nicht gefährdet ist. Körperpflege und Reinigung von Kleidern und Geschirr ist ebenfalls möglich, denn warmes Wasser ist vorhanden. Erschwernisse, die sich dadurch ergeben, dass eine Wasch- und ggf. Spülmaschine nicht benutzt werden kann, sind bei der selbst herbeigeführten Notsituation hinzunehmen.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Geld verdienen mit Kartenlegen

Dies ist doch auch mal ein Gedanke, um sich Geld zu verdienen ohne sich den Rücken wirklich krumm zu machen.

Und lukrativ muss es nach einer Pressemitteilung des BGH (05/2011) auch sein. Immerhin hat die Kartenlegerin von einem Kunden in einem Jahr mehr als 35.000 € als Lohn für ihre Dienste erhalten.

Offen lies der BGH, ob die Vereinbarung einer solchen Vergütung sittenwidrig ist.

als Single Anspruch auf größere Wohnung - die temporäre Bedarfsgemeinschaft

Haben Kinder, welche nur im Rahmen eines Umganfgsrecht temporär im Haushalt leben einen Anspruch auf ein eigenes Zimmer?

Ein allein lebender und langzeitarbeitsloser Vater einer Tochter, mit der er regelmäßig Umgang hat(alle 14 Tage) lebt in einer 40 m² Wohnung. Da die Tochter über das Wochende meist bei ihm wohnt und es dadurch eng wurde, beantragte er die Zusicherung der Übernahme der Kosten einer 64 m² Wohnung.

Das Jobcenter lehnte dies ab, scheiterte damit aber vor dem Sozialgericht Dortmund (PM vom 12.01.2011). Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung wurde das Jobcenter zum Erlass einer Zusicherung verpflichtet.

Nach Ansicht des SG Dortmund sei der Umzug in die größere Wohnung erforderlich und die Aufwendungen für die neue Unterkunft mit einer Kaltmiete von 259,89 Euro seien angemessen. Es handele sich bei dem Antragsteller und seiner Tochter um eine temporäre Bedarfsgemeinschaft, für die eine Wohnung von 40qm zu klein sei. Dies gelte umso mehr, als es sich um einen Vater und eine elfjährige Tochter handele, die ein zumindest kleines eigenes Zimmer benötige. Die Kaltmiete der neuen Wohnung liege nur geringfügig über dem in Dortmund für eine Person angemessenen Mietzins (246,28 Euro). Der Mehrbetrag von 13,61 Euro entspreche rechnerisch einer zusätzlichen Fläche von 2,6 qm und sei angemessen, um eine dem Kindeswohl Rechnung tragende Ausgestaltung des Umgangsrechts zu gewährleisten.

Die Eilbedürftigkeit zum Erlass der einstweiligen Anordnung wurde damit begründet, dass die Zusicherung der Kostenübernahme auf ein konkretes Wohnungsangebot begrenzt sei und dieses nicht für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens aufrecht erhalten werde. Die streitgegenständliche größere Wohnung sei nur bis zum 31.12.2010 reserviert und könne ab dem 01.01.2011 gemietet werden.

Müssen Chefs von Mc Donalds in gesetzliche Rentenversicherung bezahlen?

Die Mitglieder des board of directors (BoD) von Mc Donalds müssen nach der Entscheidung des Bundessozialgericht vom 12.01.2011 Versicherungsbeiträge in die Renten- und Arbeitslosenversicherung bezahlen.

Die Mitglieder des board of directors meinten, dass aufgrund der Struktur und wirtschaftlichen Stärke der Gesellschaft sie sozial ebenso wenig schutzbedürftig seien wie Vorstandsmitglieder einer deutschen Aktiengesellschaft und deshalb von der Arbeitslosen- und Rentenversicherung zu befreien wären.

2 der Kläger unterlagen nach den Feststellungen des BSG als Beschäftigte der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung. Von der Versicherungspflicht sind sie auch nicht mit Rücksicht auf ihre Berufung zum Mitglied des BoD ausgenommen (der andere Kläger war das Mc Donalds-Unternehmen selbst).

Donnerstag, 6. Januar 2011

Ein einfacher Brief reicht aus

Nach einer Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29. Oktober 2010, Aktenzeichen: L 1 AL 49/09) haben Leistungsempfänger auch dann eine Chance gegen Rückforderungsbescheide, wenn Meldungen oder Veränderungsanzeigen nicht in der Behördenakte liegen.

Grundsätzlich sind Empfänger von Sozialleistungen verpflichtet, Änderungen den Ämtern anzuzeigen. In dem vom Landessozialgericht zu entscheidenden Fall, hatte ein Empfänger per einfachen Postbrief der Behörde mitgeteilt, dass wieder ein Umzug in den Haushalt der Eltern erfolgte. Die Tatsache des Umzuges führte nach dem Gesetz zum Wegfall der Leistungen. Weil die Behörde das Schreiben des Empfängers nicht erhalten hat und erst später vom Umzug erfuhr, forderte sie zwischenzeitlich ausgezahlte Leistungen zurück.

Die Übersendung der Veränderungsmitteilung sei grob fahrlässig nur per einfachem Brief erfolgt, weshalb die Rückforderung rechtmäßig sei.

Das LSG widersprach dem: Die Übersendung von Veränderungsmitteilungen mit einfachem Brief ist grundsätzlich nicht grob fahrlässig.

Eine rückwirkende Aufhebung wäre im konkreten Fall nur rechtmäßig gewesen, wenn eine Mitteilungspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden wäre (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Da keine gesetzliche Verpflichtung zur Übersendung per Einschreiben oder in ähnlich gesicherter Weise bestand und auch die Behörde regelmäßig Bescheide mit einfachem Brief übersandte, konnte eine grobe Fahrlässigkeit nicht festgestellt werden. Auch eine Pflicht zur Erkundigung, ob bestimmte Schreiben angekommen sind, besteht nicht generell, sondern nur wenn besondere Umstände des Einzelfalles dies gebieten (etwa wenn Anhaltspunkte für den fehlenden Zugang bestehen oder die Behörde zur Übersendung in einer bestimmten Form aufforderte).

Welche Haustür wird bezahlt?

Wer als Eigenheimbesitzer Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) bezieht, hat Anspruch auf Leistungen zur Instandhaltung des selbstbewohnten Hauses.

Voraussetzung ist, dass die Maßnahmen notwendig und angemessen sind. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 3. Januar 2011, L 5 AS 423/09 B ER, rechtskräftighat) jetzt entschieden, dass als Ersatz einer nicht mehr reparierbaren Haustür die preiswerteste Kunststoffhaustür vom Baumarkt angemessen sei.

Zusammen mit den Einbaukosten durch einen örtlichen Handwerker sei ein Betrag von 750,00 € ausreichend. Den Antrag auf Verurteilung des Job-Centers zu höheren Leistungen hat das Gericht abgelehnt. Auch kostenbewusste und sparsame Hausbesitzer mit geringen eigenen Einkünften würden zu einer einfachen Haustür greifen.

Ob das Geld zurückzuzahlen sei, bedürfe einer weiteren Prüfung.

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt,

Mittwoch, 5. Januar 2011

Anspruch eines Sehbehinderten auf eine sogenannte "Tafelkamera" als Zweitkamera

Eine Sehbehinderte besucht eine Regelschule und ist die einzige körperlich beeinträchtigte Schülerin. Wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht demonstrieren konnte, verliert sie bei Verwendung der bereits vorhandenen Kamera durch ständiges Wechseln der Einstellung und Suchen des Textes im Schulunterricht zu viel Zeit. Durch den Einsatz der beantragten zweiten Kamera hat sie die Möglichkeit, das vorhandene Bildschirmlesesystem mit einer Kamera auf den Arbeitsplatz auszurichten und mit der zweiten Kamera den an der Schultafel geschriebenen Text zu erfassen. Die Lehrerin hat glaubhaft dargelegt, dass die zweite Kamera für die Klägerin notwendig ist, um den Anschluss im Unterricht nicht zu verpassen. Das Landessozialgericht (Urteil vom 18.11.2010, Aktenzeichen L 5 KR 23/10) hat daraufhin entschieden, dass ein sehbehinderter Mensch im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII Anspruch auf Versorgung mit einer Zweitkamera für ein Bildschirmlesegerät (Tafelkamera) hat, wenn diese erforderlich und geeignet ist, ihm den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Montag, 3. Januar 2011

Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verfassungsgemäß

Mit der Einführung der SGB II - Regelungen lief mit Ende 2004 auch ddas Recht auf Arbeitslosenhilfe aus. Da diese Arbeitslosenhilfe anders berechnet und an andere Voraussetzungen geknüpft war als die gegenwärtige Regelungen, verschlechterte sich für einige die Rechtsposition.

Nun musste das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verfassungsgemäß war. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigte dies mit Beschluss vom 07.12.2010 (Pressemeldung 120/10).