Montag, 29. August 2011

Wertersatz für geleistete Dienste für 1 Euro Jobber

Die Arbeitsgelegenheiten, welche von sog. ! Euro Jobbern ausgeübt werden sollen, sollen dem Kriterium der Zusätzlichkeit unterliegen, d. h. es sollen keine regulrären Arbeitsplätze besetzt bzw. verdrängt werden. Ist dies zweifelhaft, kann nach einer Entscheidung des BSG (Pressemitteilung 25/11) ein 1 Euro Jobber Wertersatz für die von ihm geleistete Arbeit verlangen - und das vom Jobcenter!

Freitag, 26. August 2011

Auch der Tod ist nicht umsonst - Beerdigungskosten und Jobcenter

Regelmäßig werden für Leistungsberechtigte im Fall, dass diese eine Beerdigung bezahlen müssen, eine Pauschalbetrag zur Verfügung gestellt, der als angemessen die Kosten decken soll.

In einem besonderen Fall hat das BSG (Medieninformation Nr. 24/11) nun ausgeführt, dass dies nicht immer so einfach ist, u.a. muss das Jobcenter berücksichtigen, dass:

- erstattungspflichtige Privatpersonen in der Regel vertragsmäßig ungünstigeren Kondi­tionen unterliegen als die Sozialhilfeträger (die haben aufgrund der Masse mehr Marktkenntnis und Marktmacht mit entsprechenden Verhandlungsspielraum)

- dem Bestattungspflichtigen mit der besonderen Belastungssituation bis zur Beerdigung regelmäßig nicht die Zeit bleiben dürfte, unterschiedliche Angebote bei Bestattungsunternehmern einzuholen, um das billigste auszuwählen.

Vor diesem Hintergrujd sind Jobcenter gehalten, Leistungsbezieher berathend zur Seite zu stehen. Fehlinformationen des Sozialhilfeträgers bzw. eine Weigerung, sich zur Höhe der angemessenen Kosten zu äußern, kann deshalb - im Einzelfall - dazu führen, dass auch objektiv unangemessene Kosten subjektiv erforderlich sind, wenn die tatsächlichen Kosten zu den angemessenen Kosten nicht in einem derart auffälligen Missverhältnis stehen, dass dies dem Bestattungspflichtigen ohne weiteres hätte auffallen müssen.

Donnerstag, 25. August 2011

Rückzahlungen als Einkommen anzurechnen? - nicht immer!

Im Regelfall übernimmt ein Jobcenter sämtliche Kosten der Unterkunft (abzüglich Warmwasserpauschale), mithin auch Betriebskostenvorauszahlungen. Kommt es zu einer Auszahlung eines Betriebskostenguthabens, wird dieses als Einkommen angerechnet, weil das Jobcenter die Betriebskostenvorschüsse ja geleistet hat.

Beispiel: Werden für 12 Monate monatlich 100 € Vorauszahlungen geleistet und vom Jobcenter vollständig übernommen und stellt sich in der Jahresabrechnung heraus, dass nur 1.000 € insgesamt an Betriebskosten angefallen sind, steht die Differenz von 200 € dem Jobcenter zu.

Das ist der nachvollziehbare Grundfall. Doch das Leben spielt manchmal anders.

Wird z.B. das Guthaben (im obigen Beispiel 200,00 €) nicht ausbezahlt, sondern mit Mietschulden verrechnet, kann das Guthaben nicht als Einkommen angerechnet werden (Sozialgericht Chemnitz (S 33 AS 5000/10)).

Werden Betriebskosten nicht vollständig vom Jobcenter getragen, sondern ausschließlich aus der Regelleistung bezahlt, wird das Guthaben nicht als Einkommen angerechnet (Bundessozialgericht - B 14 AS 186/10 R -)

Nun stellt sich die Frage, was passiert, wenn ein Teil der Betriebskosten vom Jobcenter als Kosten der Unterkunft und aus der Regelleistung bezahlt wird. Für mich spricht vieles dafür, entsprechend den Anteilsquoten ein Guthaben auch nur teilweise als Einkommen anzurechnen.

Montag, 15. August 2011

Geldgeschenke und ALG II

Eine Mutter von drei Kindern bezog im streitigen Zeitraum von September 2006 bis Februar 2007 vom beklagten Jobcenter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von monatlich insgesamt ca. 1.100 Euro. Die Großmutter der Kinder überwies für Geburtstag und Weihnachten jeweils Geldbeträge, damit sich die Kinder selbst einen Wunsch erfüllen könnten.

Das Jobcenter hob daraufhin im März 2007 den maßgebenden Bewilligungsbescheid für die Zeit ab dem 01.12.2006 teilweise auf und verlangte die Erstattung von Leistungen in Höhe von 510 Euro.

Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht die Leistungskürzung teilweise aufgehoben; von den Geldgeschenken dürften je Anlass 50 Euro (insgesamt 250 Euro) nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen sowie die Berufung der Kläger zurückgewiesen.

Nun wird das Bundessozialgericht am 23.08.2011 entscheiden, ob Geldgeschenke der Großmutter als Einkommen bei "Hartz IV" berücksichtigt werden müssen oder nicht oder nur teilweise.

Nachtrag 24.08.2011: Es kam, wie es kommen musste. Nach ein paar Hinweisen an das Jobcenter, dass formelle Kriterien nicht eingehalten wurden (haben das die Vorinstanzen übersehen?), nahm das Jobcenter die Bescheide zurück. Eine Entscheidung zu der eigentlichen Frage erging nicht (BSG PM 23/11), so dass ein Berufen auf diesen Verfahren wohl nicht immer was nützt, was auch die Presse mitteilt.

Systemversagen

Viele Menschen halten den Aufbau des deutschen Krankenversicherungssystems für fehlerhaft. Aber das ein Gericht ein Systemversagen bestätigt ist eher selten.

Das Hessische LSG hat - laut Pressemitteilung vom 15.08.2011 - ein solches Systemversagen festgestellt.

Eine an metastasiertem Darmkrebs leidende Frau wurde im Jahr 2005 von ihrem Hausarzt zur Chemo-Embolisation in eine Universitätsklinik überwiesen. Den dort im Zentrum der Radiologie damals tätigen Professor V. hatte die Kassenärztliche Vereinigung Hessen zur ambulanten Behandlung mit diesem in der palliativen Krebstherapie eingesetzten Verfahren zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ermächtigt. Trotz des Überweisungsscheins ließ der Arzt die erkrankte Frau ein Formular für private Behandlungen unterzeichnen und stellte ihr die Kosten für ambulant durchgeführte Chemo-Embolisationen in Rechnung. Tatsächlich hatte er die Versicherte jedoch mit dem Verfahren der transarteriellen Chemo-Perfusion behandelt.

Die von der Versicherten beantragte Kostenerstattung lehnte die Krankenkasse mit der Begründung ab, dass die Chemo-Perfusion nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt sei.

Das Sozialgericht wies die Klage der im März 2008 verstorbenen Frau zurück. Die Chemo-Perfusion sei eine neue Behandlungsmethode, die nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen gehöre. Hiergegen legte der Ehemann der Verstorbenen Berufung ein.

Das Hessische LSG verurteilte nun die Krankenkasse zur Erstattung der Kosten für die vor dem ablehnenden Bescheid der Beklagten durchgeführten Behandlungen in Höhe von rund 18.700,- €. Die Versicherte habe sich nicht bewusst außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenkassen begeben. Denn ihr sei zunächst nicht bekannt gewesen, dass Professor V. Chemo-Perfusion anstelle der verordneten und in Rechnung gestellten Chemo-Embolisation durchführe. Im Hinblick auf den für sie wahrnehmbaren Behandlungsablauf habe sie hiervon auch nicht ausgehen müssen. Da die von ihr unterzeichneten Vordrucke keine konkret durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen auswiesen, habe sie ferner nicht annehmen müssen, dass die Behandlungen nicht zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen gehörten. Die von Professor V. unter Druck gesetzte schwer erkrankte Versicherte habe vielmehr davon ausgehen können, dass hiermit lediglich die Vergütung der Chefarztleistungen abgesichert werden sollte, im Übrigen aber die Krankenkasse die Behandlung zahle.

Damit liege ein sogenanntes Systemversagen vor, welches ein Akteur im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ausgelöst habe. In diesem Fall sei es nicht sachgerecht, den Versicherten auf seinen gegenüber dem Arzt bestehenden Rückforderungsanspruch wegen unwirksamer Vergütungsvereinbarung zu verweisen, den er gegebenenfalls vor dem Zivilgericht geltend machen müsse.

Die Darmstädter Richter entschieden jedoch auch, dass mit der Kenntnis der Versicherten vom ablehnenden Bescheid der Krankenkassen ein Systemversagen nicht mehr vorliege. Denn ab diesem Zeitpunkt war der Versicherten bekannt, dass Professor V. sie mit der - nicht zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse gehörenden - Chemo-Perfusion behandle. Die nach diesem Zeitraum angefallenen Kosten in Höhe von rund 50.000,- € seien daher von der Krankenkasse nicht zu erstatten.

Fazit des Gerichts: Geht ein Versicherter aufgrund unzureichender Aufklärung eines Vertragsarztes davon aus, er erhalte eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse, liegt ein sogenanntes Systemversagen vor. In diesem Fall muss die Krankenkasse die Behandlungskosten auch dann übernehmen, wenn der Versicherte einen Privatbehandlungsvertrag mit dem Arzt unterzeichnet hat

Mittwoch, 10. August 2011

Wirre Formulare und darauf beruhende Falschangaben

Ein Vater beantragte für sein behindertes Kind eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Im Formular wurde gefragt, ob Kindergeld an das Kind weitergeleitet werde. Dies bejahte der Vater. Daraufhin wurde bei der Leistungsberechnung das Kindergeld als Einkommen des Kindes mindernd berücksichtigt.

Erst der Antrag eines aufmerksamen Anwaltskollegen auf Überprüfung des Leistungsbescheides mit dem Hinweis, dass das Kindergeld der Familienkasse - und nicht dem behinderten Kind - zugeflossen und deshalb nicht mindernd als Einkommen zu berücksichtigen sei, verhalf der Familie zum Recht.

Die Behörde bewilligte jedoch nur für die Zukunft höhere Leistungen ohne Anrechnung des Kindergeldes. Der Vater begehrte dies jedoch auch rückwirkend, da er nach seiner Auffassung nur irrtümlich unter Verkennung des Begriffs "Weiterleitung" die Frage falsch beantwortet habe.

Von einer Weiterleitung geht die Rechtsprechung jedoch nur aus, wenn das Kindergeld dem Kind tatsächlich bar übergeben oder auf dessen Konto überwiesen wird und dem Kind zur freien Verfügung steht. Das war jedoch hier nicht der Fall.

Dennoch lehnte die Behörde ein rückwirkend höhere Leistung ab. Zu Unrecht, wie nun das Hessische LSG feststellte (Mitteilung vom 09.08.2011).Die falschen Angaben des Vaters seien unschädlich, da er nicht vorsätzlich gehandelt habe. Er habe weder gewusst, dass seine Angaben falsch waren, noch habe er dies billigend in Kauf genommen. Vielmehr sei ihm der Begriff des „Weiterleitens“ des Kindergeldes nicht verständlich gewesen.

Der Anspruch auf Nachzahlung erstrecke sich – so die Richter weiter - auch auf die gesamte Zeit seit der Antragstellung. Denn die seit dem 1. April 2011 geltende Regelung, dass Sozialhilfeleistungen nach Rücknahme eines rechtswidrigen Leistungsbescheides nur noch für ein Jahr vor der Rücknahme erbracht werden, gelte nicht für die vor diesem Stichtag gestellten Anträge.

Mittwoch, 3. August 2011

Warum ein Abwarten mit dem Antrag sinnvoll sein kann?

Nach der Neuregelung in § 37 II Satz 2 SGB II wirkt ein Antrag auf Sozialleistungen auf den Monatsersten zurück.

Dies führt unter anderem dazu, dass Einkommen, welches erst in diesem Monat zufließt, anzurechnen ist. Nach früherer Rechtslage war z.B. folgende Gestaltung möglich.

Einkommen kam immer zum 15. des Folgemonats. Wurde nun vom 1. des Monats an Sozialleistung beantragt, wurde das nachbezahlte Einkommen nach dem Zuflussprinzip angerechnet. Wer jedoch erst am 16. des Monats den Antrag auf Sozialleistungen stellte, bekam ohne Einkommensanrechnung Sozialleistungen für den anteiligen Monat.

Nach neuer Rechtslage ist die Gestaltung nun in dem Rahmen möglich, dass bis kurz vor Monatsende ein Zahlungseingang aus Einkommen oder ähnlichem (z.B. Steuererstattung) abgewartet wird. Kommt ein bedarfsdeckendes Einkommen nicht, kann noch am letzten Tag des Monats der Antrag auf die Sozialleistungen für den ganzen Monat gestellt werden.

ABER VORSICHT: Achten Sie darauf, dass der Antrag tatsächlich und nachweisbar dem Jobcenter zugeht!