Freitag, 27. Dezember 2013

Rentenanspruch bei häufiger Arbeitsunfähigkeit?

Wann haben chronisch kranke Arbeitnehmer, die häufig für einige Zeit arbeitsunfähig sind, Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente? Diese Frage beschäftigte das LSG Berlin-Brandenburg am 6.6.2013 (Az. L 27 R 332/09).

Ein an Rheuma erkrankter Busfahrer konnte seine Tätigkeit seit Januar 2002 nicht mehr ausüben. Das stand vor dem Landessozialgericht auch nicht zur Diskussion. Doch selbst der auf Antrag des Ex-Busfahrers angehörte Arzt ging noch von einem grundsätzlich vollschichtigen Einsatzvermögen des Rheumakranken für leichte Arbeiten ohne Wechselschicht und Akkord aus. Allerdings sei wegen der Art seiner Erkrankung damit zu rechnen, dass er bis zu sechsmal jährlich im Zuge eines akuten Rheuma-Schubs arbeitsunfähig sein werde.


Das Gericht folgte in seiner Entscheidung den Vorgaben des Bundessozialgerichts. Danach kann grundsätzlich auch Arbeitnehmern, die an einer chronischen Krankheit leiden, aber dennoch im Prinzip weiter vollschichtig tätig sein können, eine Erwerbsminderungsrente bewilligt werden. Entscheidend ist die Häufigkeit der zu erwartenden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit. Wenn eine extrem häufige Arbeitsunfähigkeit prognostiziert werden kann, müsse dem Betroffenen eine konkrete andere Tätigkeit (Verweisungstätigkeit) benannt werden, die er ausüben könne. Gelinge das nicht – und das ist praktisch immer der Fall –, sei er trotz vollschichtigen Leistungsvermögens erwerbsgemindert.

Dies war bei dem Busfahrer nach Ansicht des LSG der Fall, weshalb ihm die Erwerbsminderungsrente zuerkant wurde.

Montag, 23. Dezember 2013

Treppensturz nach Kantinenessen - (k)ein Arbeitsunfall?

Eine an einer Schule angestellte Lehrerin hatte ihre Mittagsmahlzeit mangels eigener Schulkantine in der Kantine des benachbarten Bankinstituts eingenommen und befand sich auf dem Rückweg an ihren Arbeitsplatz, als sie noch im Treppenhaus des Sparkassengebäudes stürzte und sich erhebliche Knieverletzungen zuzog.

Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab.

Zwar stünden Wege zur Aufnahme des Mittagessens grundsätzlich unter Versicherungsschutz, jedoch beginne und ende dieser mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem sich die Kantine befinde.

Das SG Karlsruhe hatte diese Einschätzung geteilt, ebenso das LSG Stuttgart.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts sei die durch die Rechtsprechung bestätigte Beschränkung der Unfallversicherung für sog. "Wegeunfälle" auf den durch die Außentüren von Gebäuden begrenzten öffentlichen Verkehrsraum zeitgemäß, was die Lehrerin im Prozess in Abrede gestellt hatte.

Die Außentür des jeweiligen Gebäudes biete gerade bei der in Einkaufszentren inzwischen verbreiteten offenen Bauweise für Gaststätten oder Kantinen ein einleuchtendes, einfach zu handhabendes und ebenso eindeutiges wie objektives Abgrenzungskriterium. Nicht entscheidend sei, wer der Gebäudeinhaber sei, ob dieses zu öffentlich-rechtlichen Zwecken oder privatwirtschaftlich betrieben werde, und ob die klagende Lehrerin überhaupt berechtigt gewesen sei, das Gebäude zu betreten.

Donnerstag, 21. November 2013

Lungenkrebs bei Rauchern = Berufskrankheit?

Ein Schlosser, der während seiner dreißigjährigen Berufstätigkeit zu einem Drittel seiner Arbeitszeit als Schweißer arbeitete, rauchte 15 - 20 Zigaretten am Tag und verstarb im Alter von 60 Jahren an Lungenkrebs. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung einer Berufskrankheit mit der Begründung ab, dass die Krebserkrankung wesentlich durch den 30-jährigen Nikotinkonsum des Verstorbenen und nicht durch dessen berufliche Schadstoffexposition (insbesondere Chrom, Nickel und Thorium) verursacht worden sei. Hiergegen erhob die in Marburg lebende Witwe Klage.

Das LSG Darmstadt hat der Berufsgenossenschaft Recht gegeben.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts ist der Verstorbene zwar unstreitig während seiner beruflichen Tätigkeit Schadstoffen ausgesetzt gewesen, die eine Berufskrankheit verursachen könnten. Im konkreten Fall sei jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die berufliche Einwirkung von Chrom, Nickel oder durch ionisierende Strahlen wesentliche (Teil)Ursache für die Krebserkrankung gewesen sei.

Zwar setze der Verordnungstext hinsichtlich der in Betracht kommenden Stoffe keine Mindestdosis für die Anerkennung einer Berufskrankheit voraus. Auch sei nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand keine "sichere Dosis" bekannt, bei deren Unterschreiten der Verursachungszusammenhang ausgeschlossen werden könnte. Dennoch reiche die konkrete Schadstoffexposition alleine nur aus, wenn keine Anhaltspunkte für eine alternative Krankheitsursache bestünden.

Aufgrund des Zigarettenkonsums pro Tag (was ein 10fach erhöhtes Lungenkrebsrisiko bedeute), liege eine alternative Krankheitsursache vor. Welchen Anteil das nicht versicherte Rauchen und die versicherte Schadstoffexposition jeweils haben, sei mangels vorhandener medizinischer Kriterien nicht feststellbar.

Die objektive Beweislosigkeit gehe zu Lasten der auf Hinterbliebenenleistungen klagenden Witwe.

Freitag, 15. November 2013

Meniskusschaden = Berufskrankheit

Meniskusschäden bei Fußballerspielern der obersten vier Spielklassen sind infolge der mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeit als Berufskrankheit anzuerkennen sind, meint das Hessische Landessozialgericht (vom 30.09.2013 - L 9 U 214/09)

Donnerstag, 14. November 2013

Fahrtkostenerstattung für Arztbesuch für ALG II - Empfänger

Ein ALG II - Leistungsberechtigter leidet an einer schweren Traumastörung und befand sich in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung in Frankfurt/Main, wohin er mittels öffentlicher Verkehrsmittel gelangte.

Seinen Antrag auf Gewährung einer "Sonderleistung" für die Fahrtkosten nach Frankfurt i.H.v. jeweils 9,35 Euro lehnte das beklagte Jobcenter mit der Begründung ab, dass in diesem Fall die Voraussetzungen für die Gewährung eines sog. Mehrbedarfs nicht vorliegen würden.

Auf die Klage hin wies das Sozialgericht Mainz (S 15 AS 1324/10) in der mündlichen Verhandlung u.a. darauf hin, dass Fahrtkosten nach den Regelungen des SGB II zwar grundsätzlich in der Regelleistung als Bedarf enthalten sind, dies jedoch nur in durchschnittlicher Höhe. Mittlerweile erkenne das Gesetz durchaus an, dass es außergewöhnliche Lebenssituationen gebe, in denen nicht nur einmalig, sondern laufend besondere Bedarfe entstehen, die z.B. durch ein Ansparen nicht mehr aufgefangen werden können. In diesem Fall müsse das Jobcenter zusätzliche Leistungen gewähren. Zu Gunsten des Leistungsberechtigten war insbesondere zu berücksichtigen, dass er aus medizinischen Gründen weiter regelmäßig seine Ärzte in Frankfurt aufsuchen musste, da es ihm aufgrund seiner Krankheit sehr schwer falle, Vertrauen zu neuen Ärzten aufzubauen. Seine Ärzte waren zudem Spezialisten. Diese Besonderheiten verursachen laufend überdurchschnittlich hohe Fahrtkosten. Würde man ihn darauf verweisen, diese Kosten aus der Regelleistung zu bestreiten, käme dies faktisch einer Kürzung des Regelbedarfs gleich.

Aufgrund des Hinweises des Sozialgerichts erklärte sich das Jobcenter am 11.10.2013 im Wege eines gerichtlichen Vergleichs zur Übernahme der Fahrtkosten bereit.

Freitag, 8. November 2013

Vereinsmitglieder sind nicht immer gesetzlich unfallversichert

Ein mehr als 20 Jahre als Vorsitzender eines Heimatvereins tätige Mann gehörte auch dem sog. Zeltausschuss an, der für den entgeltlichen Verleih des vereinseigenen Zeltes zuständig ist.

Beim Aufbau dieses Zeltes für einen anderen Verein stürzte der Mann aus ca. 4 Meter Höhe von der Leiter und verletzte sich tödlich. Die von der Witwe beantragte Anerkennung als Arbeitsunfall lehnte die Berufsgenossenschaft ab. Der Verstorbene sei nicht freiwillig versichert gewesen. Zudem sei er für den Verein in der Weise tätig geworden, wie es von ihm als Zeltwart habe erwartet werden können, so dass er nicht wie ein Beschäftigter tätig geworden sei.

Die Witwe erhob Klage.

Das LSG Darmstadt hat die vorinstanzliche Klageabweisung bestätigt.

Beschäftigte sowie Personen, die wie Beschäftigte tätig werden, seien gesetzlich unfallversichert; dies könne auch für Vereinsmitglieder gelten, wenn diese für den Verein Tätigkeiten verrichten, die üblicherweise in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werden.

Werde jemand im Rahmen seiner Vereinspflichten tätig, so sei er hierbei nicht gesetzlich unfallversichert, meint das Landessozialgericht. Die Mitgliedspflichten könnten sich aus der Vereinssatzung oder aufgrund allgemeiner Vereinsübung ergeben und seien nicht notwendig für alle Mitglieder gleich. Der Verstorbene sei Vorsitzender des Zeltausschusses des Heimatvereins und seit ca. 20 Jahren Aufbauleiter gewesen. Damit sei ihm eine herausragende ehrenamtliche Vereinsfunktion übertragen worden, aufgrund derer er qualitativ und quantitativ andere Mitgliedspflichten als "einfache Vereinsmitglieder" hatte. Zu diesen Pflichten habe auch der Zeltaufbau gehört.

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Wer zahlt das höherwertige Hörgerät?

Ein 52jähriger als Schwerbehinderter anerkannter Mann ist seit Juni 2011 als Küchenleiter in einer Kantine beschäftigt. Er leidet an einer rechtsseitigen Taubheit und linksseitigen 30%igen Schwerhörigkeit.

Seine Krankenkasse hatte sich im Rahmen der Grundversorgung bereit erklärt, ihm Kosten für ein Hörgerät i.H.v. 553,50 Euro zu erstatten. Dieser Betrag entsprach dem zwischen der Krankenkasse und der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker geschlossenen Vertrag für ein einfaches Hörgerät, mit dem in der Regel im Alltag ein ausreichendes Hören ermöglicht wird.

Damit gab der Kläger sich nicht zufrieden und beantragte weitere Zuzahlungen über die Deutsche Rentenversicherung. Er argumentierte, seine Erwerbsfähigkeit sei gefährdet. Er habe bei einer Hörgerätefirma verschiedene Hörgeräte ausprobiert, u.a. auch ein Festbetragsgerät. Bei diesem Gerät sei es so gewesen, dass die Geräusche nicht gefiltert und z.B. das Klappern von Geschirr und Nebengeräusche für ihn unerträglich gewesen wären.

Den besten Hörerfolg habe er mit einem digitalen Hörgerät erzielt, das aber 2.990 Euro koste.

In einer Großküche in Leitungsfunktion sei es eine Grundvoraussetzung, dass man sein Umfeld wahrnehmen und z.B. die Signale von Geräten hören könne, die sich permanent durch Klingeltöne oder ähnliches meldeten, wenn die Garzeiten beendet seien. Außerdem bezog er sich auf eine Bescheinigung seines Arbeitgebers, aus der hervorgeht, aufgrund der verminderten Hörfähigkeit bestünden gravierende Nachteile im Tagesgeschäft und bei der Gästebetreuung.

Die Rentenversicherung lehnte seinen Antrag, die Mehrkosten für das teurere Hörgerät zu übernehmen, ab. Sie begründete dies damit, ein spezieller berufsbedingter Mehrbedarf bestehe nicht, der Kläger sei auch mit einem Festbetragsgerät in der Lage, an seinem Arbeitsplatz zu kommunizieren und die angegebenen zahlreichen Töne der Geräte zu hören.

Das Sozialgericht Gießen hat der Klage stattgegeben.

Der sachverständige HNO-Arzt habe in dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten festgestellt, das Festbetragsgerät erbringe keinen ausreichenden Behinderungsausgleich. Der Kläger sei in seinem beruflichen Umfeld im besonderen Maße auf ein gutes Hörvermögen mit Richtungshören und Hören im Störfeld angewiesen, dies könne nur das teurere Hörgerät leisten. Nach Auffassung des Gerichts kommt es alleine darauf an, dass der Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit als Küchenleiter Situationen ausgesetzt sei, denen er ohne Verwendung von adäquaten Hörhilfen nicht mehr gewachsen sei. Ein höherwertiges Hörgerät sei immer dann notwendig, wenn – wie hier – ein Versicherter in seinem Beruf auf eine besonders gute Hörfähigkeit angewiesen sei. Dass das Gerät gleichzeitig auch verbessertes Hören im privaten Bereich ermögliche, sei daneben nicht von Bedeutung.

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Trink nicht am Kopierer!

Ein Mann nutzte die einige Sekunden dauernde Pause zur Herstellung der Betriebsbereitschaft eines Kopiergerätes zwischen zwei Kopiervorgängen dazu, um sich aus dem nur wenig entfernten Kühlschrank eine Flasche alkoholfreies Bier zu holen.

Nach dem Öffnen der Flasche wollte er heraussprudelndes Bier abtrinken und brach sich dabei mehrere Zahnspitzen im Oberkiefer ab.


Die Berufsgenossenschaft lehnte den Antrag auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab.

Gegen die Entscheidung erhob dieser Klage. Das Sozialgericht Dresden hat die Klage abgewiesen.

Nach Auffassung des Sozialgerichts ist die Aufnahme von Nahrung auch während einer Arbeitspause am Kopiergerät grundsätzlich nicht unfallversichert. Die Nahrungsaufnahme sei ein menschliches Grundbedürfnis und trete regelmäßig hinter betriebliche Belange zurück. Es handele sich um eine sog. eigenwirtschaftliche Verrichtung, mit der der Kläger seine versicherte Tätigkeit unterbrochen hatte. Hiervon liege auch keine Ausnahme vor, weil die Kopiertätigkeit nicht geeignet war, abweichend vom normalen Trink- und Essverhalten ein besonderes Durst- oder Hungergefühl hervorzurufen.

Montag, 16. September 2013

Anforderungen an Hörgeräteversorgung durch Krankenkasse

Das LSG Celle-Bremen hat entschieden, dass gesetzlich Versicherte sich Hörgeräte unter bestimmten Voraussetzungen auch oberhalb des Festbetrages zu Lasten der Krankenkassen verschaffen können, wenn die Krankenkasse nicht die Möglichkeit wahrgenommen hat auf den Hörgeräteakustiker dergestalt einzuwirken, dass dieser dem Kläger die – den Hörverlust bestmöglich ausgleichenden – Hörgeräte zum Festbetrag zur Verfügung stellt.

Die Krankenkassen hätten für einen bestmöglichen Ausgleich der Hörstörungen ihrer Versicherten Sorge zu tragen, so das Landessozialgericht.

Der 1952 geborene Montagearbeiters, der unter einer angeborenen Schwerhörigkeit litt, hatte bei dem Integrationsamt einen Kostenzuschuss für eine Hörgeräteversorgung beantragt, da seine bisher getragenen Hörgeräte so verschlissen seien, dass die anfallenden Reparaturkosten den Wert der Geräte überstiegen. Das Integrationsamt leitete den Antrag nach acht Wochen an die Rentenversicherung weiter. Diese lehnte die Kostenübernahme ab, da der Kläger nicht aus beruflichen Gründen eine besondere Hörgeräteversorgung benötige. Daraufhin erwarb der Kläger bei einem Hörgeräteakustiker Hörgeräte. Nach Abzug des von seiner Krankenkasse getragenen Kassenanteils musste der Kläger noch 2.841,12 Euro bezahlen. Gegen die Ablehnung der Rentenversicherung klagte der Kläger vor dem SG Osnabrück, welches die Klage abwies.
Das LSG Celle-Bremen hat unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils das beigeladene Integrationsamt verurteilt, dem Kläger die für die selbstbeschafften Hörgeräte entstandenen Kosten zu tragen. Nur einen Eigenanteil von 20 Euro für beide Hörgeräte muss der Kläger selbst tragen.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts stellt die berufliche Tätigkeit des Klägers keine besonderen Anforderungen an die Hörgeräteversorgung (dann wäre die Rentenversicherung zuständig). Nach der Rechtsprechung des BSG seien die Krankenkassen für einen möglichst vollständigen Behinderungsausgleich zuständig. Den Hörbehinderten müsse im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und Umgebungsgeräuschen eröffnet werden. Der Kläger könne in dem vorliegenden Fall aber nicht darauf verwiesen werden, sich Hörgeräte zu dem von der Krankenkasse übernommenen Festbetrag zu beschaffen. Diese Festbetragsgeräte seien im Falle des Klägers nicht geeignet einen bestmöglichen Ausgleich der Hörstörung herzustellen, denn mit den vom Kläger tatsächlich erworbenen Geräten habe er ein um 20% besseres Sprachwortverstehen. Nach dem zwischen den Krankenkassen und der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker geschlossenen Vertrag über die Hörgeräteversorgung seien Akustiker verpflichtet, Versicherte aller Schwerhörigkeitsgrade ohne Mehrkosten für den Träger der Krankenversicherung mit solchen Hörgeräten zu versorgen, die den Hörverlust angemessen ausgleichen.

Die im Rechtsstreit beigeladene Krankenkasse des Klägers hätte danach die Möglichkeit gehabt, auf eine im Rahmen des Festbetrages erfolgende Versorgung des Klägers durch den Hörgeräteakustiker hinzuwirken. Jedenfalls hätte sie den Kläger auf etwa drohende Probleme bei der Versorgung hinweisen müssen. Der Kläger hätte sich auch nicht bei anderen Akustikern erkundigen müssen, ob diese angemessene Hörgeräte zum Festpreis anbieten, da er die Hörgeräte aufgrund des Verschleißes der alten Geräte zeitnah benötigte.

Eigentlich sei die Krankenkasse im Fall des Klägers für die Hörgeräteversorgung zuständig. Aber das Integrationsamt sei der Träger, der vom Kläger zuerst in Anspruch genommen worden sei. Der "erstangegangene" Träger müsse den Antrag entweder innerhalb von zwei Wochen an den seiner Meinung nach zuständigen Leistungsträger weiterleiten oder die Kostenübernahme unter allen rechtlich in Betracht kommenden Gesichtspunkten prüfen und bei Bestehen eines Anspruches die Leistung erbringen.

Donnerstag, 22. August 2013

Unfallschutz bei Verwandtenhilfe?

Ein 38-jähriger Mann aus Kassel war seit dem 1995 als Gebäudereiniger tätig. Als er für seine Schwester die Außenfassade des Hauses reinigte und das in die Mauerfugen eingewachsene Efeu beseitigte, stürzte er aus 3 m Höhe von der Leiter und ist seitdem schwerverletzt.

Er beantragte bei der Unfallkasse Entschädigungsleistungen. Diese lehnte jedoch mit der Begründung ab, dass es sich um eine unentgeltliche Gefälligkeitsleistung unter Verwandten gehandelt habe, die nicht gesetzlich unfallversichert sei.

Das Sozialgericht verurteilte hingegen die Unfallkasse zur Entschädigung. Aufgrund des hohen Aufwandes könne nicht von einer bloßen Gefälligkeit ausgegangen werden, die unter Geschwistern selbstverständlich sei. Gegen das Urteil legte die beklagte Unfallkasse Berufung ein.

Das LSG Darmstadt hat das Urteil des Sozialgerichts daraufhin aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Landessozialgerichts kommt es nicht darauf an, ob der verunglückte Mann eine Gefälligkeitsleistung unter Verwandten erbracht habe, da er jedenfalls nicht arbeitnehmerähnlich tätig geworden sei. Vielmehr habe er eine unternehmerähnliche Tätigkeit ausgeübt, die nicht gesetzlich unfallversichert sei. Denn er sei gegenüber seiner Schwester nicht weisungsgebunden gewesen. Er habe die Renovierungsarbeiten selbst angeboten, keine konkreten Vorgaben gemacht bekommen und das nötige Werkzeug mitgebracht.

Dienstag, 9. Juli 2013

Kürzung von Sozialleistunge (ALG II) bei Kündigung

Eine in Privathaushalten als Haushaltshilfe Beschäftigte bezog zusätzlich Arbeitslosengeld II vom Jobcenter. Nachdem sie mehrfach nicht zur Arbeit erschien, wurden zwei der Beschäftigungsverhältnisse beendet.

Zur Erklärung gab die Antragstellerin beim Jobcenter an, sie habe aufgrund ihrer Gelenkerkrankung und ihres Alkoholproblems nicht regelmäßig arbeiten können. Das Jobcenter wertete dies als Pflichtverletzung und kürzte die Leistungen um 30% des Regelbedarfs. Zur Begründung fügte es an, die Antragstellerin habe ihr Einkommen in der Absicht vermindert, die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes II herbeizuführen.

In einem Hinweis an das Jobcenter machte das SG Mainz unter anderem darauf aufmerksam, dass eine solche Pflichtverletzung nach den gesetzlichen Regelungen nur vorliegt, wenn die Antragstellerin tatsächlich mit "Absicht" handelte. Es habe der Antragstellerin also gerade darauf ankommen müssen, aufgrund ihrer Handlungen gekündigt zu werden, um sodann mehr Arbeitslosengeld II zu beziehen. Angesichts der Krankheiten der Antragstellerin sei zwar nicht auszuschließen, dass die Kündigungen und der einhergehende Verdienstausfall von ihr billigend hingenommen wurden. Das stelle aber gerade keine Absicht dar.

Das Jobcenter hat aufgrund des Hinweises des S
ozialgerichts die Minderung aufgehoben.

Mittwoch, 26. Juni 2013

zum Abschied ein Unfall

Liegt ein Arbeitsunfall vor? Wenn ein Unfall auf dem Weg von zu Hause auf Arbeit geschieht, kann das der Fall sein. Doch gehört eine Verabschiedung schon zum Arbeitsweg? Auch der Abschied vom Hund?

Ein Versicherungsvertreter verließ morgens sein Haus, um mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Er pfiff nach seinem Hund, der angerannt kam und den Versicherungsvertreter (versehentlich ?) umstieß. Die Folge war eine Knieverletzung.

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, weil das Verabschieden vom Hund nicht zu dem versicherten Arbeitsweg gehöre.

Die dagegen erhobene Klage hatte in der Berufung vor dem LSG Halle (Saale) Erfolg.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts hat sich der Unfall auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeit ereignet. Gesetzlich unfallversichert sei nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Werde dieser Weg nicht nur geringfügig unterbrochen, entfalle insoweit der Unfallversicherungsschutz. Die Verabschiedung vom Hund sei eine unerhebliche und geringfügige Unterbrechung des Arbeitsweges gewesen.

Also verabschieden Sie sich ruhig von den Liebsten (aber erst ausserhalb des Hauses, schon "mehr als halb" auf dem Arbeitsweg).

Dienstag, 18. Juni 2013

Warum verfolge ich den Taschendieb?

Taschendiebstähle kommen immer wieder vor. Werden Sie bemerkt, kann es zu Verfolgungsjagden kommen. Was passiert eigentlich, wenn der Verfolger stürzt und sich verletzt? Greift die gesetzliche Umfallversicherung?

Ein Biotechnologe aus Berlin flog im Juli 2009 zu einem Kongress nach Barcelona. Er nutzte das anschließende Wochenende, um mit seiner Verlobten die Stadt zu erkunden. Nach einem Restaurantbesuch am letzten Abend überfielen ihn zwei Männer und stahlen ihm die Brieftasche mit Bankkarten, Personaldokumenten und 120 Euro. Als der rüstige Biotechnologe, der den Verlust sogleich bemerkte, den Tätern nachsetzte, stellte ihm einer ein Bein. Der Technologe stürzte und brach sich den linken Ellenbogen.

Anwesende spanische Passanten riefen die Polizei, die Täter konnten jedoch entkommen.

Hinsichtlich der Sturzverletzungen wandte sich der erfolglose Verfolger an die Unfallkasse Berlin mit dem Begehren, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Diese lehnte das ab. Dem Verfolger sei es ausschlaggebend um die Wiedererlangung seines Eigentums gegangen und nicht um die Verfolgung oder Festnahme der Tatverdächtigen.

Es kam zur Klage vor dem Sozialgericht. Der Verfolger trug vor, sein Ziel sei es gewesen, die Täter zu fangen. Weil der Haupttäter einen Kopf kleiner gewesen sei, habe er sich gute Chancen ausgerechnet, diesen bis zum Eintreffen weiterer Passanten festzuhalten.

Das Sozialgericht Berlin  wies die Klage ab. Zwar sei kraft Gesetzes versichert, wer sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist, persönlich einsetze. Dieser Versicherungsschutz gelte auch für Auslandsfälle. Zur Überzeugung des Gerichts sei es dem Verfolger jedoch nicht in erster Linie um die vom Gesetz geschützte Verfolgung oder Festnahme gegangen, sondern auch um die Wiederbeschaffung der geraubten Brieftasche. Bei einer derartigen "gemischten Handlungstendenz" sei ein sachlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nur gegeben, wenn die konkrete Verrichtung auch ohne die private Motivation vorgenommen worden wäre. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt, es fehle die "versicherungsbezogene Handlungstendenz". Der Verfolger hätte nicht zur verfolgung angesetzt, wenn diese ihm nicht die Brieftasche gestohlen hätten.

Ob das Landessozialgericht, bei dem derzeit die Berufugng anhängig ist, auch so sieht? 

Mittwoch, 5. Juni 2013

Eisessen + Luft schnappen = Arbeitsunfall?

Ein Mechaniker hat sich während eines Leerlaufs des Montagebands am rund 20 Meter von der Halle (mit einer Lufttemperatur von 30 °C) entfernten Kiosk ein Eis gekauft. Dies verzehrte er im Schatten unmittelbar vor einer Hallenaußentür.

Kurz darauf stieß ein anderer Mitarbeiter die Tür auf und traf den Mechaniker an der linken Ferse. Dieser erlitt einen Riss seiner Achillessehne und eine 4 cm lange Schnittwunde am Sprunggelenk. Er musste zweimal operiert werden, konnte wegen des Unfalls nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurückkehren und leidet noch heute an den Folgen des Ereignisses.

Die Berufsgenossenschaft übernahm zunächst die Behandlungskosten, lehnte dann aber die weitere Kostenübernahme und die Anerkennung als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, dass das Eisessen nicht dazu gedient habe, die Arbeitskraft des Mechanikers zu erhalten. 

Der Mechaniker erhol Widerspruch (erfolglos) und Klage zum Sozialgericht Heilbronn.

Dieses entschied, dass der Unfall vor der Halle als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Entscheidend sei, dass er sich nicht nur von seinem Arbeitsplatz entfernt habe, um ein Eis zu kaufen, sondern um darüber hinaus auch frische Luft zu schnappen. Dies sei notwendig gewesen, da er aufgrund der Hitze in der Halle und der schlechten Raumluft seine schwere körperliche Arbeit bis zum Schichtende andernfalls nicht durchgehalten hätte

Dienstag, 28. Mai 2013

Ein Schuß ins Knie ist kein Arbeitsunfall

Überfälle sind nicht gern gesehen. Kommt dabei jemand zu Schaden, ist es oft mit Mühen verbunden, entsprechenden Schadensersatz zu erhalten - wenn überhaupt. Es wäre doch gut, wenn auch woanders noch etwas Geld herkommen würde, warum nicht von der Berufsgenossenschaft, wenn der Überfall auf Arbeit geschieht? 

Das dachte sich wohl auch ein Mitarbeiter einer Bausparkasse, der in einem Home Office im eigenen Wohnhaus in Dresden tätig war.

Im März 2007 öffnete er auf ein Läuten die Hauseingangstür und wurde sofort von zwei Männern mit einer Pistole bedroht. Im Schlafzimmer schossen ihn die Täter in beide Kniegelenke. Danach verließen sie das Haus, ohne Wertsachen mitzunehmen.

Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen konnte sich der Bausparkassenvertreter den Überfall nur mit Streitereien um Fördermittelzusagen von einer Million an einen Verein erklären. Die Vereinsmitglieder hätten ihm gegenüber damit gedroht, mal zwei Russen vorbeizuschicken, falls das schiefgehen sollte. Für diesen Verein war er privat als Berater tätig.

Tatsächlich wurden zwei wegen diesem Überfall Angeklagte im März 2008 rechtskräftig zu Freiheitsstrafen von fünf bzw. vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.


Der verletzte Bausparkassenvertreter wollte nun, das dieser Überfalll als Arbeitsunfall von der Berufsgenossenschaft anerkannt wird. Diese lehnte jedoch ab und verwies darauf, dass der Überfall auf private Gründe zurückzuführen sei.

Auch das angerufene Sozialgericht Dresden hat das Begehren des Bausparkassenvertreters abgewiesen.

Ein abhängig Beschäftigter steht bei einem vorsätzlichen tätlichen Angriff (nur) dann unter Versicherungsschutz, wenn der Angriff des Täters aus betriebsbezogenen Motiven erfolgt. Die Motive der Täter waren hier aber am ehesten auf die private Tätigkeit des Bausparkassenvertreters als Berater für einen Verein zurückzuführen.

Unerheblich sei, dass der Überfall zufällig zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit als Versicherungsangestellter erfolgte. Ein Zusammenhang des Überfalls mit einer versicherten Tätigkeit sei nicht feststellbar.

Montag, 27. Mai 2013

Sozialleistungen und der erbrechtliche Pflichtteil



Wer bedürftig ist im Sinne des Sozialrechtes hat nach § 9SGB I einen Anspruch auf Sozialleistungen, oftmals auf ALG II nach dem SGB II oder auf Grundsicherung nach dem SGB XII.

Grundsätzlich sind Sozialleistungen auszuzahlen, wenn hierfür ein Bedarf besteht, welcher nicht anderweitig gedeckt werden kann durch Einkommen oder Vermögen.

Es ist anerkannt, dass ein Pflichtteil (Zahlungsanspruch gegen Erben nach § 2303 BGB) grundsätzlich zur Bedarfsdeckung geeignet ist. Ein Pflichtteilsanspruch kann somit auf Sozialleistungsträger übergehen und von diesen eingezogen werden, unabhängig von einer Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten.

Ist der Pflichtteilsanspruch vor Beantragung von Sozialleistungen entstanden und erfüllt, ist es regelmäßig als Vermögen anzusehen, so dass die Vermögensfreibeträge berücksichtigt werden müssen.

Entsteht der Pflichtteilsanspruch während eines Leistungsbezuges oder wird erst in einem solchen Zeitraum erfüllt, handelt es sich nach gegenwärtiger Rechtsprechung regelmäßig um Einkommen.
Bei ALG-II – Leistungsempfängern geht der Pflichtteilsanspruch aus einem Erbfall von Gesetzes wegen (§ 33 SGB II) auf den Sozialhilfeträger über, bei Grundsicherungsgewährung muss ein Überleitung per Verwaltungsakt erfolgen (§ 93 SGB XII).

Ein wirksamer Übergang eines Pflichtteilsanspruches setzt jedoch die Rechtmäßigkeit der gewährten Sozialleistungen voraus, liegt also nicht vor, wenn Leistungen z.B. als Darlehen gewährt werden.

Soweit Pflichtteilsansprüche übergegangen sind, stehen dem Sozialleistungsträger  die Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche sowie die Zahlungsansprüche zu (wie einem Pflichtteilsberechtigten).

Nicht nur etwaige pflichtteilsberechtigte Leistungsempfänger sind hiervon betroffen, auch Erben müssen diese Grundsätze beachten, damit etwaige Doppelzahlungen (weil zunächst an den falschen der Pflichtteil ausgekehrt wurde) vermieden werden.

Vor diesem Hintergrund sollten bereits in der Erbschaftsplanung und Testamentsgestaltung solcherlei Konstellationen berücksichtigt werden. Betroffene Erben und Pflichtteilsberechtigte sollten fachlichen Rat bei Anwälten einholen.

Dienstag, 23. April 2013

Angriff auf Wachmann kein Arbeitsunfall

In der gesetzliche Unfallversicherung kommt es oft zum Streit, ob ein Unfall im Sinne des Gesetzes vorliegt.

Zunächst muss ein Unfall vorliegen. Ein Unfall ist ein plötzliches, unvorhergesehenes, zeitlich und örtlich bestimmbares, unfreiwilliges und von außen einwirkendes Ereignis, bei dem eine Person einen Schaden erleidet.

Zusätzlich muss für den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung ein Zusammenhang zwischen versicherter Beschäftigung (Arbeit und Arbeitsweg) und dem Unfall bestehen, das sogenannnte berufsspezifische Risiko.

Letzteres ist oft Gegenstand von Streitereien.

Ein Wachmann wurde im August 2011 bei einem Streifengang auf dem Gelände einer Firma in Crailsheim von der alkoholisierten Frau angegriffen. Diese befand sich gegen 6 Uhr morgens auf dem Nachhauseweg von einer nahe gelegenen Diskothek.  Der Wachmann erlitt aufgrund Faustschläge der Frau eine Unterkieferprellung.

Die Frau wurde später wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab: Der Wachmann und die Frau  hätten sich gekannt; zum Angriff sei es nur aufgrund persönlicher Feindschaft gekommen.

Nachdem auch im Widerspruchsverfahren der Wachmann erfolglos blieb, trug er in der  Klage vor, dass er sich den Angriff auf ihn nicht erklären könne. Er kenne die Frau gar nicht und er bestreitet deren Aussage, dass er vor zehn Jahren vergeblich versucht haben soll, sie gewaltsam in sein Auto zu ziehen.

Das SG Heilbronn (S 5 U 1914/12) hat die Klage abgewiesen, obwohl die Beweisaufnahme zu keinem eindeutigen Ergebnis kam.

Es sei unerheblich, ob es seinerzeit tatsächlich zu dem von der Frau als Zeugin eindrücklich geschilderten Ereignis gekommen sei. Vielmehr sei entscheidend, dass die Frau dies gedacht und auf den Wachmann losgegangen sei, um es ihm "heimzuzahlen".

Die Frau hätte den Wachmann demnach genauso gut bei einer privaten Begegnung (außerhalb seiner Arbeit) angreifen können. Ein berufsspezifisches Risiko habe sich gerade nicht verwirklicht.

Dienstag, 8. Januar 2013

teurer Besuch bei Freundin mit Arbeitsunfall

Lieben sich zwei Menschen, versuchen Sie oft beieinander zu sein. So auch ein Arbeitnehmer, der - trotz einer eigenen Wohnung in einer Entfernung zur Arbeitssteller von ca. 6,5 km - besuchsweise bei seiner Verlobten, welche rund 55 km von seiner Arbeitsstelle entfernt war, übernachtete und am nächsten Morgen zur Arbeit fuhr.

Auf dem Weg zur Arbeit erlitt er einen Verkehrsunfall mit Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule.

Die gesetzliche Unfallkasse lehnte die Anerkennung eines Wegeunfalls ab, weil der längere Weg zur Arbeit nicht durch eine betriebliche Tätigkeit geprägt sei. Das Sozialgericht Koblenz sah dies anders, da aufgrund der häufigen Übernachtungen bei der Freundin und Verlobten auch der Weg von einem anderen Ort als der eigenen Wohnung Ausgangpunkt eines versicherten Weges sein könne. Es sei in einem solchen Fall von einer "gespaltenen Wohnung" auszugehen.

Dem wiederum folgte das LSG Mainz (L 4 U 225/10) nicht. Es wies das Begehren des verufallten Arbeitehmers ab- Nach durchgeführter Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer die Wohnung der Freundin nicht wie eine eigene Wohnung genutzt habe, sondern sich vielmehr dort nur zu Besuch aufgehalten habe. Die Differenz zwischen dem Arbeitsweg von der eigenen Wohnung bzw. dem von der Wohnung der Verlobten sei unverhältnismäßig, so dass nicht von einem versicherten Arbeitsweg auszugehen sei.

Bleibt die Frage offen, welcher Weg für Verliebte unverhältnismäßig ist? 

Montag, 7. Januar 2013

Schneeball trifft Auge - Arbeitsunfall?

Ein Lehrer lies sich nach dem Verlassen von Unterrichtsräumen noch auf dem Schulgelände von seinen Schülern in eine Schneeballschlacht auf dem Schulgelände verwickeln. Rund 15 Schülern seiner Klasse haben ihn mit Schneeballwürfen empfangen. Der Lehrer ist zunächst mit schützend vor das Gesicht gehaltener Mappe auf die Schüler zugerannt, habe versucht, den nahestehenden Werfern die Schneebälle aus der Hand zu schlagen, und rief ihnen zu, sie sollten aufhören, weil es unfair sei, wenn alle auf ihn werfen. Daraufhin sei eine allgemeine Schneeballschlacht entbrannt, bei der alle auf alle geworden hätten, woran er sich dann mit eigenen Würfen beteiligt habe. Ein Schneeball traf ihn im Auge.

Nach der Operation seines Auges war er einen Monat lang dienstunfähig krankgeschrieben.

Sein Antrag auf Anerkennung als Arbeits-/Dienstunfall wurde abgelehnt, weil der natürliche Zusammenhang mit seinen eigentlichen Dienstaufgaben fehle. Er habe sogar den Interessen des Dienstherrn zuwidergehandelt, da nach der Schulordnung das Schneeballwerfen ausdrücklich verboten gewesen sei.

Auf die Klage des Lehrers hin gab das VG Freiburg (Entscheidung vom 04.12.2012, 5 K 1220/11) dem Lehrer Recht.

Der Unfall während der Schneeballschlacht habe sich noch "in Ausübung des Dienstes", nämlich am Dienstort auf dem Schulgelände und auch noch während der Dienstzeit ereignet. Der Lehrer  habe plausibel dargelegt, dass er wegen seines guten Verhältnisses zu den Schülern ihren Schneeballangriff nicht als böswillig, sondern als Ausdruck der Lebensfreude und für sich als Herausforderung begriffen habe und dass er sich mit einer bloßen Aufforderung aufzuhören und einem teilnahmslosen Verlassen des Handlungsortes auch als Pädagoge lächerlich gemacht hätte.

Es kommt - wie fast immer - auf die Begründung an.